Als Kind hat fast jeder die Windpocken durchgemacht und wieder vergessen. Die Viren schlummern jedoch weiterhin im Körper und können sich später als Gürtelrose wieder melden.
Autor: Adrian Zeller, 06.15
Viren sind die Auslöser von Herpes Zoster, wie die Heilkunde die Gürtelrose nennt. Wer einmal an Windpocken (Varizellen) erkrankt ist, trägt ein Leben lang die Erreger, Varizella-Zoster-Viren, im Körper. Nach überstandener «Kinderkrankheit» ist der Organismus immunisiert. Jedoch nistet sich das Varicella-Zoster-Virus in den Nervenwurzeln im Rückenmark oder in den Hirnnerven ein. Rund 90 Prozent tragen diese Viren in sich, ohne etwas von ihnen zu merken.
Jahrzehnte später machen sie sich, scheinbar ganz plötzlich, bemerkbar. Rund ein Drittel der ehemaligen Windpocken-Patienten erkrankt im Laufe des Lebens an einer Gürtelrose. Das Immunsystem hält die Viren lange Zeit in Schach, doch lässt die Abwehrkraft des Körpers mit zunehmendem Alter nach. Zudem schwächt chronischer Stress infolge einer anderen Krankheit oder durch unausgewogene Lebensweise das Immunsystem. Bei immungeschwächten Personen können sich die Varizellen vermehren und entlang der Nervenbahnen nach aussen wandern.
Ein Herpes-Zoster-Ausbruch kündigt sich meistens mit einem Kribbeln unter der Haut an. Man fühlt sich abgeschlagen und eventuell etwas fiebrig. Meist denkt man zuerst an eine Grippe. Anschliessend meldet sich lokal ein stechender oder ein brennender Schmerz, bevor sich die Haut rötet und sich Knötchen oder Bläschen bilden.
Wenn der Ausschlag am unteren Teil des Rumpfs auftritt, sieht er aus wie ein gerötetes Band. Unter diesem Eindruck entstand die volkstümliche Bezeichnung Gürtelrose. Es sind aber auch Krankheitszeichen am Rücken, an den Armen, an den Beinen, an den Genitalien, an den Augen sowie im Gehörgang möglich, bei einem sehr stark geschwächten Immunsystem sogar am ganzen Körper. Am häufigsten werden Symptome im Bereich des Rumpfs registriert. Nur in Ausnahmefällen sind beide Körperhälften betroffen.
Sehr selten kommt es auch zu Entzündungen der Lunge, der Leber, des Rückenmarks oder des Gehirngewebes. Vorübergehende Lähmungen von Nervenbahnen im Gesicht wurden sehr vereinzelt beobachtet.
Nach rund drei Tagen verbinden sich die Bläschen des Ausschlags untereinander. Sie platzen, es tritt eine eitrige, milchig-wässrige Flüssigkeit aus. Die Hautschäden trocknen nach wenigen Tagen ab, wobei sich eine gelbliche Kruste bildet. Nach zwei bis vier Wochen ist die Haut meist wieder heil.
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Die anfänglichen Schmerzen, das Krankheitsgefühl mit leichtem Fieber wie auch die veränderten Hautzonen werden von den Patienten und auch von Ärzten öfters mit anderen Erkrankungen als einer Gürtelrose in Verbindung gebracht, etwa mit einem Ekzem.
Besonders schwierig ist die Diagnose, wenn die Gürtelrose ohne Hautausschlag auftritt. In diesen seltenen Fällen empfindet der Patient nur die typischen Schmerzen. Je nach Lokalisation denkt der Arzt dann eventuell zunächst an einen Herzinfarkt oder eine Gallenkolik.
Werden die Viren als Auslöser zunächst nicht erkannt, kann im Zweifelsfall die Bläschenflüssigkeit im Labor auf die Erreger untersucht werden. Im Blut lassen sich auch vermehrte Antikörper nachweisen.
Ein nicht rechtzeitig erkannter oder ein verkannter Gürtelrose-Schub bedeutet jedoch oft eine zu späte Behandlung und damit Leiden. Die Viren können Nervenzellen zerstören, was zu starken Schmerzen führen kann. Rund ein Fünftel der Betroffenen klagt auch nach dem Abklingen der akuten Beschwerden noch längere Zeit über Schmerzen oder über eine Überempfindlichkeit in der betroffenen Region. Die Medizin spricht dann von einer postherpetischen Neuralgie. Das Risiko, eine solche Neuralgie davonzutragen, steigt mit dem Alter; bei über 70-Jährigen beträgt es mehr als 50 Prozent. Frühzeitig eingenommene antivirale Medikamente wirken diesen Schäden entgegen.
Auch die Genesung verläuft nicht immer ohne Komplikationen: Aufgekratzte oder geplatzte Bläschen bedeuten schadhafte Stellen in der Körperhülle. Sie sind Eintrittspforten für Bakterien, die ihrerseits schmerzhafte Entzündungen auslösen. Diese können sichtbare Narben oder Pigmentstörungen hinterlassen.
Bei einem Gürtelrose-Schub werden in der schulmedizinischen Behandlung Medikamente gegen die Herpes-Viren verschrieben. Gleichzeitig werden Wirkstoffe gegen starke Schmerzen und eventuell Entzündungshemmer bzw. fiebersenkende Mittel verabreicht. Zur Behandlung der Hautstörungen werden juckreizstillende und desinfizierende Salben, Puder oder Gels aufgetragen. Dadurch wird Bakterieninfektionen und bleibenden Narben vorgebeugt. Wenn nötig, werden zusätzliche Massnahme schmerzlindernde Pflaster auf die betroffenen Stellen geklebt.
Auch Salben mit Auszügen aus Cayennepfeffer haben sich als wirksam erwiesen. Als ergänzende Therapie verordnet der Arzt gelegentlich Medikamente gegen Depressionen. Die zum Teil starken Schmerzen können die Stimmung drücken und die Lebensqualität erheblich mindern. Gleichzeitig verstärken die Antidepressiva die Wirkung der Schmerzmittel.
Weil ein Herpes-Zoster-Schub und dessen Nachwirkungen zum Teil sehr schmerzhaft sind, suchen manche Patienten Linderung bei alternativen Heilmethoden; gelegentlich auch aus Enttäuschung, weil die Schulmedizin ihre Beschwerden nicht vollständig kurieren konnte. Im Internet findet man unterschiedlichste Vorschläge von Fasten bis zum Einreiben mit einer Backpulver-Paste. Doch hier ist eine gesunde Portion Skepsis angebracht. Gürtelrose ist keineswegs harmlos; Experimente bei der Behandlung sollte man im eigenen Interesse vermeiden.
Positive Erfahrungen bei Gürtelrose liegen mit der Neuraltherapie vor. Dabei werden an bestimmten Punkten betäubende Medikamente (Procain) unter die Haut injiziert. Damit sollen entgleiste Regelvorgänge des Körpers normalisiert oder verbessert und Selbstregulationskräfte des Organismus angeregt werden. Bei dieser Form der Behandlung sollte man sich nur einem gut ausgebildeten und erfahrenen Anwender anvertrauen. Nur eine kompetente Fachperson kann mögliche Komplikationen rechtzeitig erkennen und verhindern.
Akupunktur wirkt bei rund der Hälfte aller Gürtelrose-Patienten schmerzlindernd. Auch die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) vermochte schon Patienten Linderung zu verschaffen.
Auf der sicheren Seite sind Patientinnen und Patienten, die ihr Bedürfnis nach ergänzenden Heilanwendungen mit ihrem Arzt besprechen. Oft ist eine Kombination von Schulmedizin und komplementärer Heilkunde die wirkungsvollste Behandlungsstrategie.
Seit 2013 ist ein Impfstoff gegen Gürtelrose für Menschen über 50 zugelassen. Die Impfung reduziert das Erkrankungsrisiko auf etwa die Hälfte und die möglichen dauerhaften Schmerzen nach einem Schub um zwei Drittel. Wenn Herpes Zoster dennoch ausbricht, ist sein Verlauf milder. Derzeit gibt es aber noch keine gesicherten Daten darüber, wie lange der Impfschutz anhält. Der Impfstoff gilt als wirksam und sicher; das Schweizerische Bundesgesundheitsamt gibt aber keine Impfempfehlung. Die Kosten muss der Patient selbst tragen. Auch in Deutschland ist der Impfstoff gegen das Virus Herpes Zoster für über 50-Jährige zugelassen. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt es jedoch ebenfalls (noch) nicht.
Wer über einen entsprechenden Impfschutz nachdenkt, sollte die Vorteile und die Risiken mit seiner Ärztin oder seinem Arzt abwägen. Wichtig: Bei einem akuten Krankheitsschub sollten von Gürtelrose Betroffene den Kontakt mit Kleinkindern, Kranken und vor allem Schwangeren vermeiden. Die Gürtelrose ist zwar – anders als Windpocken – eine wenig und nur über eine sogenannte Schmierinfektionen ansteckende Krankheit: Man muss schon direkt mit dem virenhaltigen Bläscheninhalt in Kontakt kommen. Wer sich so ansteckt, entwickelt keine Gürtelrose, sondern bekommt Windpocken. Ist eine schwangere Frau aber nicht gegen die Viren immun – weil sie selbst noch keine Windpocken hatte oder nicht geimpft ist – kann dies in seltenen Fällen eine Gefahr für das Baby sein.
Für Menschen, die bereits die Windpocken (Varizellen) durchgemacht haben, ist Herpes Zoster nicht ansteckend.