Die Blutvergiftung ist die schwerste Folge einer Infektion, die nicht selten tödlich endet. Rechtzeitig erkannt, ist sie gut zu behandeln. Entscheidend ist, erste Anzeichen richtig zu deuten.
Autorin: Judith Dominguez, 09/20
Ob Zahnvereiterung, Schnittwunde, Lungenentzündung oder Harnwegsinfekt: Eine Sepsis kann von nahezu jeder Entzündung ausgehen. Das macht die Erkrankung so tückisch, so schwer einschätzbar und für Laien wie auch Mediziner häufig nur schwer zu erkennen. Schon 36 Stunden nach Beginn einer Blutvergiftung können bereits alle Organe versagen. 2018 traten in der Schweiz 31 033 Fälle von Sepsis auf, so das Bundesamt für Statistik (BFS).
Eine Blutvergiftung ist eine Infektion, die von Bakterien, Viren oder – in selteneren Fällen – auch durch Pilze ausgelöst wird. Wie bei jeder Infektion, beginnt die Besiedlung an einer bestimmten Stelle des Körpers. Sogleich beginnt das Immunsystem, sich gegen die Schädlinge zu wehren und aktiviert das körpereigene Abwehrsystem. Gelingt es dem Immunsystem nicht, die Keime abzutöten, vermehren sie sich zunächst lokal. Können die Eindringlinge dort nicht in Schach gehalten werden, wandern sie mit dem Blutstrom oder übers Lymphsystem durch den Körper und nisten sich an weiteren Orten ein. Das Immunsystem wird durch die grosse Menge an Infektionskeimen im Blut in allergrösste Alarmbereitschaft versetzt und überschwemmt den Körper mit Abwehrstoffen.
Das komplexe Immunsystem unseres Körpers ist eine grossartige Sache und schützt uns vor vielen Infektionskrankheiten. Reist jedoch eine massive Anzahl krankmachender Keime durch unser Blut- und Lymphsystem, geraten die Abwehrzellen ausser Rand und Band. Mit ganzer Kraft stürzen sie sich auf die Eindringlinge. Ein dermassen überaktiviertes Immunsystem kann dann kaum noch zwischen eigenen und fremden Zellen unterscheiden. Folglich werden auch körpereigene Zellen angegriffen und das hat verheerende Folgen. Die weissen Blutkörperchen setzen ausserdem Gifte und Botenstoffe frei, die die Erreger bekämpfen, aber auch kleine Blutgefässe schädigen. Erhebliche Mengen Flüssigkeit gelangen so ins Gewebe, und die Blutgerinnung gerät ausser Kontrolle.
Leider sind die ersten Anzeichen einer Sepsis nicht immer klar zu deuten. Die Symptome sind untypisch und gleichen jeder anderen Entzündung. Tatsächlich kann jegliche Infektion, ganz gleich wo im Körper sie lokalisiert ist und wie harmlos sie sich anfänglich anfühlt, eine Sepsis verursachen.
Am einfachsten sind die ersten Anzeichen bei einer äusserlich sichtbaren Wunde zu erkennen. Ist diese gerötet und heiss, ist Vorsicht geboten. Manchmal bildet sich ein roter Streifen auf der Haut. Dies ist ein typisches Zeichen, dass die Lymphbahn in der Nähe der Wunde entzündet ist. Dieser rote Streifen markiert eine Art Vorstufe einer Blutvergiftung (Lymphangitis). In diesem Fall sollte nicht gezögert und sofort medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Entgegen allgemeiner Auffassung ist diese sich ausbreitende Rötung jedoch eher selten. Fehlt sie, ist das wiederum kein Grund, Entwarnung zu geben. Man sollte sich merken: Entzündungen, welcher Art auch immer, verursachen Fieber, hohen Puls und ein allgemeines Krankheitsgefühl.
Steigt das Fieber oder stellt sich Schüttelfrost ein, sollte man sich in medizinische Behandlung begeben. Fieber ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich im Körper ein entzündlicher Prozess abspielt. Der Organismus versucht mithilfe der erhöhten Temperatur das Immunsystem bei der Bekämpfung der krankmachenden Keime zu unterstützen. Leider ist dies kein ausreichendes Symptom – denn nicht alle Menschen neigen dazu, hohes Fieber zu haben. Bahnt sich eine gefährliche Infektion an, die vielleicht in eine Sepsis münden kann, fühlt man sich richtig krank. Die Atmung ist flach und schnell, der Puls hoch und meist hat man Herzklopfen. Bei hohem Fieber kann es zudem zu einer Beeinträchtigung der Hirntätigkeit kommen, so dass der Betroffene verwirrt ist oder sich wie betäubt fühlt. Bei solchen Symptomen ist keine Zeit zu verlieren. Vermutlich ist die Anzahl der nun emsig aktiven, weissen Blutkörperchen schon sehr hoch; das kann der Arzt im Laborbefund leicht feststellen. Wer jetzt weiter abwartet, riskiert einen lebensbedrohlichen Zustand.
Blutvergiftungen, die unbehandelt bleiben, enden dramatisch. Die Infektion breitet sich im ganzen Körper aus und greift auf lebenswichtige Organe über. Ist die Leber befallen, verfärbt sich die Haut gelb. Ist die Niere betroffen, können Abfallprodukte nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden und der Körper vergiftet sich selbst. Besiedeln die krankmachenden Keime das Gehirn, ist die Folge eine Gehirnhautentzündung mit möglichen Folgeschäden.
Aufgrund der Entzündung und der Immunabwehr erweitern sich die Blutgefässe und dies führt zu einer Unterversorgung der Organe mit Sauerstoff. Das Herz ist mit diesem Geschehen letztlich überfordert, und der Blutdruck sinkt bedrohlich ab. Jeder septische Schock ist eine Notfallsituation und muss auf der Intensivstation behandelt werden. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser ist die Prognose und desto weniger Organschäden sind zu befürchten.
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Ist die Entzündung schon weit fortgeschritten, kann nur noch eine medikamentöse Bekämpfung helfen. Damit die Ärzte einschätzen können, welches Antibiotikum am besten hilft, sind Blutkulturen anzusetzen. Diese müssen aber erst wachsen und das dauert – mitunter bange Tage. Im Notfall greifen die Mediziner deshalb auf Breitbandantibiotika zurück, die gegen viele verschiedene Krankmacher helfen.
Ist die Infektion jedoch von einem resistenten oder seltenen Keim verursacht, sind spezifische Medikamente erforderlich. In seltenen Fällen sind die Verursacher etwa Pilze und gegen diese kann nur mit Antimykotika vorgegangen werden.
Bis das richtige Medikament gefunden wird, ist es entscheidend, die Organfunktionen zu stabilisieren.
Personen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet. Diabetes etwa erhöht das Risiko. Auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gehören zur Risikogruppe. Chemotherapien und Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen vermindern die Effektivität des körpereigenen Abwehrsystems und erhöhen somit die Gefahr, als Folge einer Infektion eine Sepsis zu bekommen.
Frisch geborene Babys haben noch kaum Infektionen durchlebt und deshalb noch wenig Abwehrmechanismen. Sie sind darum besonders gefährdet, bei einer Entzündung schwerwiegend zu erkranken. Im hohen Alter ist das Immunsystem, wie jede andere Körperfunktion auch, bereits geschwächt – auch das erhöht das Risiko.
Selbst so etwas Harmloses wie ein Insektenstich kann in seltenen Fällen oder bei Personen mit erhöhtem Allergierisiko zu einer Sepsis führen. Gelangen mit dem Stachel pathogene Keime in unsere Haut, entsteht lokal eine Entzündung – und kann schlimmstenfalls zu einer Sepsis führen. Kratzt man eine juckende Einstichstelle eines Insektenstiches auf, beschädigt man die Haut. Sind die Hände nicht sauber, können krankmachende Keime in die Wunde gelangen.
Tipp: Damit man gar nicht erst in Versuchung kommt zu kratzen, kann man Heilkräuter einsetzen. Der Saft von Bohnenkraut soll lindernd bei Mückenstichen wirken und Zwiebelsaft bei Wespenstichen.
Auch wer kein Insektengift-Allergiker ist, sollte eine Einstichstelle stets gut beobachten. Verfärbt sich die Haut, fühlt sie sich heiss an und kommt auch noch Fieber oder gar Schüttelfrost hinzu, muss man umgehend einen Arzt aufsuchen.
Wer eine Sepsis überstanden hat, braucht oft Jahre, um sich zu erholen. Nicht selten hinterlässt sie bleibende Spuren, da sich die Organe nicht mehr vollständig von Schädigung durch die Entzündung erholen. Spätfolgen können sein: chronische Erschöpfung, Appetitlosigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, Bewegungseinschränkungen und kognitive Defizite (z.B. schlechtes Kurzzeitgedächtnis) sowie abgestorbenes Gewebe.
Gegen Infektionen lässt sich einiges unternehmen.