Es ist im Meer. Es steckt in der Erde. Und es ist in uns. Salz, des Lebens unverzichtbare Würze. Ein Mineral, das Geschichte schrieb – mühselig abgebaut, gierig umkämpft und teuer gehandelt.
Autorin: Andrea Pauli (4.16)
Wildes Meer, rauhe Küste, südliche Gefilde in grauer Vorzeit. Wind und Wetter formen Gestein mancherorts zu flachen Becken. Welle um Welle rauscht darüber hinweg. Die Sonne brennt vom Himmel. Und das Meerwasser in den steinernen Naturgebilden verdunstet ganz und gar. Es bleibt ein Glitzern zurück, funkelnde Körnchen, ein besonderer Stoff. Salz!
Die Menschen, die an den Küsten siedeln, finden diesen Schatz. Kosten davon, sammeln ihn ein. Probieren aus, wofür man die Kristalle verwenden kann. Stellen fest, dass ihre Speisen damit besser schmecken, dass ihre Nahrung sogar haltbarer wird. Welche Entdeckung vor Tausenden von Jahren!
Was die Natur vormachte, ahmten die Küstenbewohner schliesslich nach. Sie legten künstliche Becken an, schöpften immer mehr des Minerals – und die Salzgewinnung aus dem Meer entwickelte sich zum Handwerk. Im alten Ägypten, im antiken Griechenland, am Schwarzen Meer, an den Stränden Afrikas, Indiens, Chinas, überall entstanden bewirtschaftete «Salzgärten».
Doch nicht nur das Meer schenkte den Menschen Salz. Solequellen sprudelten im Landesinneren, beispielsweise in den Alpen, hervor. Die Kelten, die hier lebten, waren findige Leute. Sie erkannten, dass dies ein besonderes Labsal ist. Mit dem blossen Trinken der Sole und Baden darin gaben sie sich nicht lange zufrieden. Sie fingen das salzhaltige Wasser aus den Solequellen in Wannen auf. In dickwandigen Tonkrügen liessen sie es auf gross angelegten Feuerstellen eindampfen. Und behielten Salz zurück. Es schmeckte, es taugte genau wie das Räuchern und Trocknen zur Konservierung. Doch wie mühsam das Ganze: Ein Krug brachte gerade mal eine Handvoll Salz ein.
Gab es vielleicht Besseres, grössere Vorkommen? Auf jeden Fall in Hallstatt im heutigen Österreich, dem ältesten Salzbergwerk der Welt. Die Hallstätter nahmen es bei ihrer Salzsuche gleich mit dem ganzen Berg auf: Sie ritzten parallele Rillen ins Gebirge und brachen das dazwischenliegende Salzgestein heraus. In Tragesäcken aus Rinderhaut schleppten sie das «Hauklein» fort.
Dank massiver Hacken mit widerstandsfähigen Bronzespitzen arbeiteten sich die Salzsucher immer tiefer vor. Ein geübter Hauer schaffte einen Meter pro Monat sogenannten Vortrieb. Bis in eine Tiefe von 200 Metern klopften und hämmerten sich die emsigen Hallstätter Salzbergleute hinab. Gegen 1245 v. Chr. beendete ein verheerender Erdrutsch den gesamten Betrieb mit einem Schlag. Erst um 850 v. Chr. setzte die Geschichte des (vor-)industriellen Salzabbaus Hallstatts wieder ein. Nun umso wirkungsvoller, mit bis zu 300 Meter tiefen Schachtanlagen.
Im Mittelalter stellten die Menschen Salz überwiegend durch das Sieden von Sole her. Ohne dabei, wie zu früheren Zeiten, auf natürliche Salzwasserquellen angewiesen zu sein, sondern auf «künstliche» Weise. Im Salzgestein wurden Hohlräume geschaffen, in die man Wasser einliess – so löste sich das Mineral aus dem Fels.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Die dabei entstehende Sole wurde dann in den Salinen (Salzwerken) über Tage gesiedet. In riesigen «Pfannen» erhitzte man das Salzwasser so lange, bis nur ein Salzbrei übrig blieb, der getrocknet wurde. Als eine der wichtigsten Salzstädte des Mittelalters galt Lüneburg. Zwischen 1276 und 1797 wurde Lüneburger Salz in 54 Siedehütten gewonnen, jede besass vier Bleipfannen. Fast 300 Menschen schufteten rund um die Uhr, die Siedefeuer brannten Tag und Nacht, Qualm und Dampf waberten ununterbrochen durch die engen Gassen.
Eine Art «doppelte Salzgeschichte» schrieb die Gegend von Wieliczka («Gross Salze») in Polen, wo Salzsiederei seit etwa 3500 v. Chr. nachweisbar ist. Mitte des 13. Jahrhunderts waren die Salzquellen erschöpft. Man suchte unter Tage nach Sole und entdeckte eine Steinsalzlagerstätte, die jahrhundertelang ausgebeutet wurde. Wieliczka ist eines der ältesten bis heute in Betrieb befindlichen Salzbergwerke der Welt mit faszinierenden Kristallgrotten und unterirdischem Kurort.
Salz fand und findet sich auch in den wärmsten Klimazonen der Erde, den Wüstengegenden. Zum Beispiel im Nordwesten Äthiopiens, wo die Danakilwüste vor Jahrtausenden vom Roten Meer überflutet wurde, was eine mehrere Hundert Meter dicke Salzschicht zurückliess. Flirrend heiss ist es hier, unwirtlich, über 50 Grad im Schatten tagsüber. Das Salz wird wie zu Urzeiten «geerntet», indem angespitzte Stämme in die feinen Risse der Salzschicht gesetzt und vorsichtig Platten herausgehoben werden. Mit Äxten werden diese zu Tafeln zerschlagen. In mühsamster Handarbeit, von Sonnenaufgang bis Einbruch der Dunkelheit. Die salzige Last transportieren Kamele, jedem Tier werden rund 20 Platten auf den hölzernen Packsattel gebunden, dann geht es im Trab tagelang durch die Wüste ins Hochland.
Von jeher bedurfte es einer gewissen Schläue, um auf Salzvorkommen zu stossen und sie zu nutzen. Die alten Briten erhitzten Stöcke am Strand, tauchten sie ins Meer und kratzten das Salz herunter, die Azteken gewannen Salz, indem sie ihren eigenen Urin verdunsten liessen, fand beispielsweise Sachbuchautor Bill Bryson heraus.
«Der unbewusste Drang, Salz in die Nahrung zu bekommen, ist offenbar sehr stark und noch dazu universell», konstatiert Bryson in seinem Buch «Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge». Inkas beispielsweise (13. bis 16. Jh.) filterten mittels Verdunstung Salz aus dem Wasser des Rio Urumbaba. Archäologische Funde und historische Schriften belegen, dass um 6000 v. Chr. Anwohner eines südchinesischen Sees das durch Verdunstung auskristallisierte Salz abgeschöpft haben.
Weltweit wurde jahrtausendelang geschuftet, um ans Salz zu gelangen – und es wurde gescheffelt. Denn mit Seltenem und Edlem lässt sich gut Geld verdienen. War in einer Region Salz aufgrund mangelnder Vorkommen oder kriegerischer Umtriebe knapp, ging die Kunde von reichen Salzlagerstätten in einer Art Mund-zu-Mund-Propaganda von Ort zu Ort. Gewiefte Kaufleute feilschten mit machthungrigen Landesherren und um Einfluss bemühtem Klerus, Verträge wurden ausgehandelt. Pfade, Wege, Strassen, alles stand zu Zeiten der Kleinstaaterei unter irgend jemandes Machtbereich, verlangte Genehmigungen, Zoll, Gebühren.
Doch dank des begehrten Minerals kristallisierten sich grosse Handelsrouten heraus, die «Salzstrassen», die man sich als Korridore durch eine ganze Region vorstellen muss. Viele Strassen zwischen bedeutenden Städten in Europa, Arabien und dem Fernen Osten wurden eigens für den frühen Salzhandel gebaut.
Von Hallstatt aus handelten die Kelten, die zeitweise ein Salzmonopol für grosse Teile Mitteleuropas innehatten, mit dem «weissen Gold» bis in die heutigen Länder Frankreich, Italien und Ungarn. Von Halle, dem Zentrum der Salzproduktion in Mitteldeutschland, erstreckte sich der Salzhandel jahrhundertelang auf zwölf Landwegen in alle Himmelsrichtungen. Eine der bedeutendsten Routen ist die «Alte Salzstrasse» von Halle nach Prag.
Zwischen 1545 und 1546 förderte man in Halle rund 19 000 Tonnen Salz, «ein für damalige Zeiten ungeheures Potential», so Bernd Bieler, Vizepräsident des Vereins «Alte Salzstrasse Halle-Prag». Über 4600 Fuhrwerke und Karren wurden in jenem Jahr mit Salz beladen, wie amtliche Verträge von damals bezeugen.
In Halle ging das Salz nach «Stück» heraus, 54 Pfund Gewicht, elf Schwertgroschen wert. 60 Stück Salz konnte ein vier- oder sechsrädriges, hölzernes Fuhrwerk mit sechs bis zehn Pferden laden. «Verlader» sorgten dafür, dass das kostbare Gut bestens verpackt war: Plane aufs Fuhrwerk, dann Stroh in die Ritzen, das in Klumpen geschlagene Salz von Weiden umhüllt, nochmals mit Tuch bespannt – nur so konnte man sicher sein, dass ein Platzregen die kostbare Fracht nicht einfach vom Wagen wusch. Wobei Regen nicht das einzige Problem darstellte – Räuberei war an der Tagesordnung. Betrug auch, dreiste Schurken tauschten das Salz einfach gegen Asche und Dreck aus.
Konflikte blieben auch im Salzhandel nicht aus – über Jahrhunderte flammten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen auf. 1156 beispielsweise liess Heinrich der Löwe die alte Isarbrücke bei Freising zerstören, um selbst von den Salzgewinnen profitieren zu können. Nun musste das in Bad Reichenhall abgebaute Salz über die Brücke in seiner Stadt München transportiert werden. Die dafür kassierte Maut liess München prosperieren.
Vom «weissen Gold» zum billigen Alltagsprodukt wandelte sich das Salz im 19. und 20. Jahrhundert. Mithilfe neuer wissenschaftlicher Methoden erkundete man bislang unbekannte Salzlagerstätten. Stark vorangetrieben wurde weltweit der bergmännische Abbau von Steinsalz. Heute sind die Verfahren der Salzgewinnung hochmodern, mit computergesteuerten Sprenglöchern in den technisierten Bergwerken.
Die Preise indes sind so niedrig wie noch nie, Salz ist ein Massen- respektive Industrieprodukt geworden. Der überwiegende Teil wird ohnehin nicht für den Verzehr produziert. Lediglich drei Prozent macht die Herstellung von Speisesalz aus. Die moderne Industrie nutzt Salz auf rund 14 000 verschiedene Arten, etwa zur Herstellung von Medikamenten, zur Bodendüngung, zur Seifenherstellung, zur Wasserenthärtung und zur Färbung von Stoffen.
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Salz hat also einen erheblichen kulturgeschichtlichen «Wertverfall» erlebt. Teuer gehandelt wird es teilweise aber immer noch – als erlesenes kulinarisches Produkt wie schwarzes oder rotes Hawaiisalz, Fleur de Sel, Rauchsalz, persisches Blaues Salz, Himalayasalz – die Vielfalt kennt kaum Grenzen. Empfehlenswert ist in jedem Fall naturbelassenes Meersalz. Es enthält, anders als Steinsalz, einen wertvollen Mineralienmix. Und darauf schwor bereits Naturheilkundepionier Alfred Vogel.