Bei grellem Sommersonnenlicht werden die Augen stark beansprucht. Der Augentrost wurde und wird in der Volksmedizin äusserlich bei Entzündungen der Augenbindehaut und des Lidrandes sowie bei Sehstörungen und Augenermüdung eingesetzt.
Der Gemeine oder auch Wiesen-Augentrost ist eine Wiesenpflanze aus der Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae), die über 350 Arten umfassen und weltweit verbreitet sind, aber hauptsächlich auf der Nordhalbkugel vorkommen. Es werden daher auch E. rostkoviana, E. officinalis subsp. Rostkoviana, E. minima, E. nemorosa, E. stricta dazugezählt. Die einjährige bis ausdauernde krautige Pflanze, wird bis zu 40 Zentimeter hoch. Auffallend sind ihre weissen, violett geränderten Blüten mit der bläulich geäderten Mitte und dem charakteristischen gelben Fleck auf der Unterlippe. Der botanische Gattungsname Euphrasia ist vom griechischen Wort euphrasía (von euphraínein, „erfreuen“, für „Freude, Frohsinn, Wohlbefinden“, bezogen wohl auf eine erfreuliche Wirkung bei Augenleiden) abgeleitet.
Die Euphrasia-Arten sind Halbschmarotzer, die mit Hilfe von Saugwurzeln dem Xylem der Wirtswurzeln Wasser und Nährsalze entziehen. Sie können im Gegensatz zu anderen Halbschmarotzern auch selbst Photosynthese betreiben. Die Auswirkungen von Halbschmarotzern auf die mit ihnen zusammen wachsenden Pflanzen sind nicht notwendigerweise negativ. Die Samen keimen nur im chemischen Einflussbereich des Wirts.
Blütezeit ist von Juli bis Oktober.
Der Gemeine Augentrost findet vor allem in der Volksmedizin und der Alternativmedizin Verwendung. Genutzt werden die während der Blüte gesammelten oberirdischen Teile (Euphrasiae herba). Obwohl schon im Altertum bekannt, ist seine Verwendung erst seit dem 13. Jahrhundert belegt. Besonders Arnald von Villanova, eine Lehrkraft an der berühmten Medizinschule in Montpellier, war ein überzeugter Befürworter dieser kleinen Pflanze. Pfarrer Sebastian Kneipp, der neben seinen Wasserkuren auch die Heilwirkung der Kräuter nicht verachtete, verordnete seinen Patienten nebst den Augenbädern jeweils gleichzeitig auch noch die Einnahme von Pulver, und zwar täglich eine kleine Messerspitze voll entweder in Wasser, in der Suppe oder in anderen Speisen.
Augentrost wurde und wird in der Volksmedizin äusserlich bei Entzündungen der Augenbindehaut und des Lidrandes sowie bei Sehstörungen und Augenermüdung eingesetzt. Darüber hinaus kam er gegen Husten, Heiserkeit, Heuschnupfen und Nebenhöhlenentzündung sowie als Magenmittel und bei Hautproblemen zur Anwendung.
Zur Augenspülung wird eine 2%-ige Abkochung der Droge drei- bis viermal täglich empfohlen. Als Waschung: 1 TL Kraut mit 150 ml heissem Wasser aufkochen, 5 – 10 min köcheln lassen, 3 bi 4 mal täglich anwenden. Unbedingt auf Hygiene achten. Gegen Gerstenkörner helfen heisse Umschläge mit Augentrost. 5 EL Kraut mit 250 ml heissem Wasser übergiessen und 10 min ziehen lassen. Anschliessend so heiss wie möglich sterilen Verbandsstoff darin tränken und auflegen. Gegen die innerliche Verwendung als Tee bestehen keine Bedenken. 2 bis 3 g der Droge auf eine Tasse Wasser, 5 – 10 min ziehen lassen, dreimal täglich trinken.
Das pharmakologische Wirkspektrum des Augentrostes ist bislang wenig erforscht. Je nach verwendeter Stammpflanze schwankt die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe. Enthalten sind Iridoidglykoside (bis zu 0.9%) wie Aucubin, Euphrosid und Catalpol; Flavonoide (überwiegend Glykoside von Apigenin und Quercetin), Phenolcarbonsäuren, Lignane, geringe Mengen von ätherischem Öl und das Phenylethanoid Leucosceptrosid A.
Iridoidglykoside wie Aucubin hemmen die Prostaglandinbildung, worauf die antientzündliche Wirkung zurückzuführen ist. In Laborversuchen hemmte Aucubin auch die Vermehrung des Hepatitis-B-Virus. Phenolcarbonsäuren und Flavonoide zeigen zudem antibakterielle Effekte. Die traditionellen Indikationen von Augentrost erscheinen daher plausibel. In Tierversuchen zeigte ich zudem eine Schutzwirkung gegen verschiedene Lebergifte. Die aktuellste Studie kommt zu dem Schluss, dass Augentrost für die Behandlung von Bindehautentzündungen hilfreich ist, mit besonders guter Verträglichkeit.
«Mit Vorliebe durchstreifen wir zur Sommerszeit unsere Wälder, wandern höhenwärts zu einsamen Bergtälern und freuen uns, wenn wir in lauschiger Verschwiegenheit mitten auf einer Wiese im Walde oder am Waldesrand, in sonniger Lichtung oder auch auf mageren Weideplätzen einem weissen Teppich lieblicher Augentrostgesichtchen begegnen, denn in der Tat mutet uns das kleine, liebliche Blümchen wie ein zufriedenes Antlitz an oder wie Augen, die eine stille Zufriedenheit widerspiegeln.»