Wenn sich die Wechseljahre ankündigen, meldet sich bei manchen Frauen der Wunsch, noch ein Baby zu bekommen. Die einen haben schon grosse Kinder und sehnen sich nach dem Gefühl, wieder einen kleinen Menschen in sich wachsen zu spüren. Die anderen haben sich bislang keine Gedanken um Kinder gemacht, merken jetzt aber, dass sie gerne Mutter werden wollen. Doch was ist jetzt noch möglich?
Autorin: Annette Willaredt, 10/21
Die Lebensläufe von Frauen gestalten sich heute meist ganz anderes als früher. Bei den einen kommt zuerst eine gute Ausbildung, eventuell ein Studium. Es folgt der Einstieg in den Beruf. Viele wollen erst mal ein paar Karriereschritte machen, bevor sie an Familiengründung denken. Manchmal stehen bei einem Jobwechsel dazu Umzüge an. Und nicht zuletzt muss ja auch noch der passende Partner gefunden werden. Andere Frauen haben in jungen Jahren den Mann fürs Leben gefunden und früh Kinder bekommen. Die sind jetzt erwachsen und ziehen aus. Eigentlich gut, aber? Bei beiden Lebensentwürfen ist den Frauen spätestens dann, wenn sich die Wechseljahre ankündigen, klar: Die biologische Uhr tickt unerbittlich.
Frauen kommen in Europa im Schnitt zwischen 51 und 52 Jahren in die Wechseljahre. Manche aber auch deutlich früher oder später. Die Wechseljahre sind keine kurzzeitige Angelegenheit. Der Prozess beginnt sehr langsam und ist am Anfang kaum spürbar. Schon etwa Ende 30 beginnen die Eierstöcke allmählich, nicht mehr so zuverlässig zu arbeiten wie in jungen Jahren. Es bildet sich nicht mehr in jedem Zyklus ein befruchtungsfähiges Ei. Die Hormonspiegel von Östrogen und Progesteron schwanken in dieser Zeit. Die Blutung ist in dieser Phase oft noch regelmässig. Doch viele Frauen fühlen sich durch die Hormonschwankungen reizbar und schlafen schlecht. Manche sind plötzlich sehr empfindlich, könnten an manchen Tagen wegen Kleinigkeiten in Tränen ausbrechen. Auch die Brüste spannen jetzt immer mal schmerzhaft. Erst, wenn in der nächsten Phase der Hormonspiegel langsam immer weiter absinkt, kommt es zu den Anzeichen, die allgemein als typisch für die Wechseljahre gelten, nämlich Hitzewallungen, Schweissausbrüche, Erschöpfung, Schlafstörungen und jetzt auch ein unregelmässiger Zyklus. Die Blutung wird zudem bei vielen Frauen jetzt kürzer oder länger, stärker oder schwächer als gewohnt. Nun schwanger zu werden, ist deshalb schwieriger als mit 20 Jahren. Aber den Traum vom Wunschkind abhaken müssen die Frauen nicht.
Es gibt bei Frauen mit über 40 sogar einen Effekt, der zuerst paradox erscheint. Jede Frau hat schon bei ihrer Geburt einen begrenzten Vorrat an Eizellen in den beiden Eierstöcken. Dieser Vorrat geht in den Wechseljahren langsam zur Neige. Der weibliche Körper scheint deshalb in dieser Lebensphase noch einmal vermehrt die Hormone zu produzieren, die diese verblieben Eizellen wachsen und reifen lassen. Es kommt jetzt zwar nicht mehr jeden Monat zu einem Eisprung. Findet er aber statt, passiert es häufiger, dass sich gleich mehrere Eizellen auf den Weg machen. Es kommt deshalb bei Frauen über 40 auch auf ganz natürlichem Wege häufiger zu Zwillingsschwangerschaften. Diese Phase mit einem unregelmässigen Zyklus und selteneren Eisprüngen hält bei den Frauen üblicherweise mehrere Jahre an, das heisst, Schwangerschaften sind möglich. Immerhin hat jede zweite Frauenärztin in ihrer Praxis schon eine Frau betreut, die mit über 50 noch auf natürlichem Wege schwanger wurde.
Allerdings sinkt die Wahrscheinlichkeit, jenseits des 40. Geburtstags schwanger zu werden, Jahr für Jahr kontinuierlich. Es gibt aber ein paar Möglichkeiten, die Chancen zu erhöhen. Ganz natürlich ist die Messung des Hormonspiegels mit einem sogenannten „Verhütungscomputer", der auch für den gegenteiligen Wunsch eingesetzt werden kann. Über Teststreifen werden hier die Hormonwerte im Urin ermittelt. Der Computer errechnet dann, ob die Frau gerade fruchtbar ist. Diese Methode eignet sich für Frauen, die noch einen einigermassen regelmässigen Zyklus haben.
In dieser ersten Phase der Wechseljahre (Perimenopause) ist es auch möglich, die verbliebenen Eibläschen mit Hormonen zu stimulieren. Diesen Weg gehen sehr oft Frauen, die vorzeitig in die Wechseljahre gekommen sind. Die Voraussetzung für eine Schwangerschaft ist bei dieser Behandlung „Sex nach Plan".
Nach der Stimulation mit Hormonen kann eine Frau bei der Befruchtung auch ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Zum einen mittels Einbringen des Samens (via Spritze) in die Gebärmutter zum Zeitpunkt des Eisprungs, die sogenannte Insemination. Zum zweiten gibt es die künstliche Befruchtung. Hier werden der Frau Eizellen entnommen, die ausserhalb des Körpers mit dem Samen des Partners befruchtet werden. Teilen sich die Eizellen – entwickelt sich also ein Embryo – werden sie in die Gebärmutter eingesetzt.
Frauen können sich ausserdem für eine Hormonersatztherapie entscheiden. Sie soll zwar eigentlich die Beschwerden in den Wechseljahren lindern. Besonders bei Frauen, die sehr früh in die Wechseljahre kommen, steigert diese Behandlung aber oft auch die Fruchtbarkeit. Es kommt wieder vermehrt zum Eisprung.
Nicht vergessen sollten Frauen bei all diesen Behandlungsmöglichkeiten, dass es gar nicht zwingend an ihrem Alter liegen muss, dass es mit einer Schwangerschaft noch nicht geklappt hat. Es ist immer sinnvoll, zu überprüfen, ob der Partner überhaupt zeugungsfähig ist, bevor eine Frau sich auf eine Hormonbehandlung einlässt.