Wenn die Beine im Sitzen oder Liegen kribbeln, ziehen, brennen, stechen, spannen oder zucken, dann findet man keine Ruhe und spürt den unwiderstehlichen Drang, umherzuwandern – was allerdings nur kurzfristig nützt. Die Erkrankung der unruhigen Beine, in der Fachsprache Restless Legs-Syndrom (RLS), scheint heute fast so häufig zu sein wie Migräne und gilt als «unbekannte Volkskrankheit».
Marion S. (34) hatte sich lange auf die Busreise mit ihrer Freundin in die Camargue gefreut. Die gründlichen Reisevorbereitungen schlossen auch eine kleine Reiseapotheke mit Mitteln gegen Durchfall, Schmerzen und Insektenstichsymptomen ein – für alle Fälle. Das herrliche Wetter, die schöne Landschaft, der Spass mit der Freundin – Marion genoss die Reise. Doch nach einigen Stunden war alles ganz anders. Ein unangenehmes Brennen und Kribbeln in den Beinen liess Marions Reiselust in den Keller sinken. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als im Bus umherzulaufen. Setzte sie sich wieder auf ihren Platz, ging kurze Zeit danach das Drama von neuem los. Selbstbeherrschung und die Medikamente aus der Reiseapotheke halfen nicht, nur permanentes Umherlaufen brachte etwas Erleichterung.
Autoren: Ingrid Zehnder/Günter H. Heepen
Das Restless Legs-Syndrom, unter dem Marion damals zum ersten Mal litt, bezeichnet eine Nervenstörung, deren Ursachen noch weitgehend unbekannt sind. Viele Betroffene leiden an den qualvollen Beschwerden in beiden Beinen, ohne richtig zu wissen, was mit ihnen los ist. Typisch für die schwer zu beschreibenden Missempfindungen sind der unausweichliche Bewegungsdrang, die gravierenden Schlafstörungen und die unwillkürlichen Beinausschläge im Schlaf. Viele leiden nicht nur nachts, sondern immer dann, wenn sie stillsitzen müssen: im Auto, im Flugzeug, bei Konferenzen oder Kino- und Theaterbesuchen. Erleichterung können sich die Betroffenen nur verschaffen, indem sie sich bewegen. Manche stehen nachts mehrmals auf, laufen herum, machen Kniebeugen, massieren, duschen oder bürsten sich die Beine. Doch hilft das alles nur, bis man sich wieder ins Bett legt oder sich hinsetzt. Die Ausprägung der Symptome kann von leichter Beeinträchtigung (z.B. nur während langer Busreisen) bis zu schwersten Beschwerden, die das alltägliche Leben der Betroffenen stark einschränken, variieren. Am quälendsten sind meistens die schweren Schlafstörungen.
RLS-Forscher unterscheiden zwei Formen. Die primäre Form, die erblich ist und etwa 40 Prozent aller Fälle betrifft, sowie die sekundäre Form, die oft zusammen mit anderen Erkrankungen wie Arthritis, Diabetes, Lungen- und Nierenleiden, Eisenund Vitaminmangel auftritt. Von den Ursachen der primären RLS weiss man nur, dass sie im zentralen Nervensystem liegen müssen. Die Diagnose muss oft bei einem Neurologen oder Facharzt einer Schlafklinik erstellt werden. Das Leiden kann bis jetzt nicht endgültig geheilt werden und verschlimmert sich in der Regel im Laufe der Jahre. 20 bis 50 Prozent der Betroffenen entwickeln die Symptome auch in den Armen und im Rumpf. Da es eine Reihe von Medikamenten gibt, welche die Beschwerden lindern können, müssen Patient und Arzt ausprobieren, welches Mittel im Einzelfall am besten geeignet ist. Seit wenigen Jahren werden häufig so genannte Dopaminagonisten (auch Mittel bei Parkinson), in schwersten Fällen sogar Opiate verordnet.
Wie gesagt, wird als Ursache der Restless Legs eine vererbte Veranlagung vermutet, welche bei gewissen Patienten allein schon genügt, um Symptome auszulösen (idiopathische Form). Andere Patienten, welche die gleiche Veranlagung auch besitzen, erkranken trotzdem erst dann, wenn zusätzliche Faktoren wie z.B. eine Schwangerschaft oder ein Vitamin- oder Hormonmangel oder eine Polyneuropathie hinzukommen (symptomatische Form).
Das sekundäre RLS-Syndrom tritt gehäuft bei: Eisenmangel (43% der Patienten), Schwangerschaft (27%), Nierenversagen (17 bis 40 %), Diabetes mellitus (7 bis 17 %), Rheumatoide Arthritis (25 bis 30 %), Polyneuropathie (5 %). Neben Eisenmangel wurden auch Mangelerscheinungen von Folsäure und Vitamin B12 bei Erkrankten nachgewiesen. Menschen, die unter der sekundären Form der Erkrankung leiden, haben im Allgemeinen mehr Chancen auf Besserung. Mit der Beseitigung der oben genannten Grundursachen, werden die Beschwerden geringer oder verschwinden sogar ganz, wie im Fall einer Schwangerschaft, wo sie nach der Geburt von selbst weggehen.
Neben einer eisen-, folsäure- und Vitamin B12-haltigen Ernährung gibt es ein paar weitere Tipps für RLS-Kranke. Experten empfehlen vorsichtshalber, den Kaffeekonsum einzuschränken (obwohl dies in einer Untersuchung des Berner Inselspitals nicht bestätigt werden konnte) sowie auf Nikotin und Alkohol zu verzichten. Die Berner Forscher sprechen allerdings von einer Verstärkung der Beschwerden bei vermehrtem Alkoholgenuss und dem Verzehr von Schokolade. Manchen hilft es, vor dem Schlafengehen ein warmes (Fuss-)Bad zu nehmen und auch im Bett die Füsse warm einzupacken, andere duschen die Beine kalt ab oder reiben die Waden mit einer kühlenden Salbe ein. Schlafen sollten die Betroffenen in Seitenlage mit einem kleinen Kissen zwischen den Knien. Als hilfreich haben sich ausserdem tägliche Stretchingübungen am Morgen und Abend erwiesen. Manche Betroffene machen auch gute Erfahrungen mit Zinktabletten oder homöopathischen Zinkpräparaten (Zincum metallicum, Zincum valerianicum).
Auch die biochemische Mineralstofftherapie nach Dr. Schüssler kann die RLS-Beschwerden positiv beeinflussen. In Frage kommen die Salze Ferrum phosphoricum D3 bis D12 (wenn Störungen des Eisenstoffwechsels bekannt sind), Magnesium phosphoricum D6, Kalium bromatum D6 und Zincum chloratum D6.
Zum A.Vogel Dossier Schüssler Salze
Vorträge, Konzerte, Kinobesuche – alle Veranstaltungen, bei denen man gezwungen ist, längere Zeit ruhig zu sitzen, sind für Menschen, die unter rastlosen Beinen leiden, eine Qual.
Das Restless Legs-Syndrom (RLS) ist eine der häufigsten neurologischen Krankheiten. Wenn Bein- und Fussbeschwerden mit Einschlafund Durchschlafschwierigkeiten verbunden sind, muss auch an RLS gedacht werden. RLS-Beschwerden können in jedem Alter auftreten: etwa 40 Prozent beginnen vor dem 20. Lebensjahr und 12 Prozent gar vor dem 10. Lebensjahr. Frauen (14%) sind häufiger betroffen als Männer (6%).
Schweiz:
In der Schweiz bestehen RLS-Selbsthilfegruppen in Aarau, Basel, Bern, Luzern, Wil/St. Gallen und Zürich. Kontakt über: Schweiz. Restless Legs Selbsthilfegruppe Frau A. Maurer, Haldenstr. 26 CH 5415 Nussbaumen, Tel. 056/282 54 03056/282 54 03.
Deutschland:
RLS e.V. Deutsche Restless Legs Vereinigung Schillerstraße 3a, D 80336 München Tel. (D) 089/55 02 88 80089/55 02 88 80 Fax 089/55 02 88 81
Österreich:
ÖGSMSF Österr. Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung Sekretariat Universitäts-Klinik f. Neurologie Anichstr. 35, A 6020 Innsbruck Tel. 0512 504 -3890