Die Krankheit Dupuytren ist gutartig, kann auch stillstehen, schreitet gewöhnlich aber schubweise mehr oder weniger rasch fort und neigt zu Rezidiven (Wiederauftreten). Sie bereitet zunächst wenig Schmerzen, auf Dauer aber viele Unannehmlichkeiten und Einschränkungen. Sie zu beseitigen, erfordert allerdings schmerzhafte Massnahmen und längere Genesungszeiten.
Autorin: Ingrid Zehnder, 08/21
Morbus Dupuytren kommt fast ausschliesslich bei weisshäutigen Menschen in Nord- und Mitteleuropa und Nordamerika vor. In Afrika und Asien ist das Leiden hingegen kaum bekannt. Männer erkranken früher und sechs- bis siebenmal öfter als Frauen. Warum das so ist, weiss man nicht. Bekannt ist eine familiäre Häufung. In etwa 80 Prozent der Fälle sind beide Hände betroffen; bei einseitigem Befall überwiegt die rechte Hand. Das Risiko für ein Wiederauftreten der Bindegewebswucherung (Rezidiv) ist höher, wenn die Krankheit vor dem 40. Lebensjahr auftritt und wenn schon ein Elternteil betroffen war.
Morbus Dupuytren ist nach WHO-Definition eine (gutartige) tumorähnliche Läsion (Zerstörung von Gewebe- oder Zellverbänden durch Verletzung oder Krankheitsprozesse). Die genaue Ursache ist bis heute nicht geklärt. Es handelt sich um eine Erkrankung des bindegewebigen Fasziensystems der Hohlhand (med.: Palmaraponeurose). Durch die krankhafte Wucherung des Bindegewebes (Fibromatose) kommt es zu Knotenbildung und einer Verhärtung/Verkürzung der kollagenen Faserbündel. Bei fortschreitender Versteifung und Verdickung der Faszien wird die Streckung in den Grund- und Mittelgelenken der Finger eingeschränkt, und sie werden zunehmend in die Hand hineingezogen. Man spricht dann von einer Beugekontraktur. Dieser Prozess kann Monate oder Jahre dauern. Am häufigsten in Mitleidenschaft gezogen sind der Ringfinger und der kleine Finger, gefolgt vom Daumen; prinzipiell ist jedoch kein Finger ausgeschlossen.
Der Beginn der Erkrankung wird oft nicht bemerkt bzw. nicht richtig gedeutet. Weiche Höcker oder Polster auf der Handinnenseite werden nicht als Bindegewebswucherung erkannt, sondern als Schwielen gedeutet. Punktförmige Einziehungen («Grübchen») werden nicht als Verkürzung von Bindegewebsfasern wahrgenommen. Bei vielen erscheinen an den Grundgelenken der Finger knotige Verdickungen; bei anderen bilden sich aussen am Knöchel des mittleren Fingergelenks schmerzlose Schwellungen, sogenannte «knuckle pads», die allerdings auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten. Spätestens wenn sich sicht- und fühlbare harte Stränge bilden, sollte man Morbus Dupuytren in Erwägung ziehen.
Regelmässige Übungen zum Beugen, Dehnen, Spreizen und Strecken der Finger können in einem frühen Stadium eventuell hilfreich sein. Massagen fördern die Durchblutung; warme Handbäder entspannen. Mit diesen Massnahmen lässt sich der individuelle Verlauf der Erkrankung nicht aufhalten, aber eventuell eine Steigerung hinauszögern.
Die von Teilen der Alternativmedizin angepriesene DMSO-(Dimethylsulfoxid-)Salbe wurde in den 1980er-Jahren als «Wundermittel» verkauft, hat sich jedoch – wie so viele Wundermittel – als wenig wirksam bis nutzlos erwiesen.
Die Strahlentherapie sollte nur in einem sehr frühen Stadium bei millimeterkleinen Knoten eingesetzt werden. Die Röntgenstrahlen können unter Umständen die Knotenbildung aufhalten oder verlangsamen, eine Fingerkrümmung können sie nicht beseitigen. Die lokale Bestrahlung verhindert auch nicht, dass sich an anderer Stelle neue Knoten bilden. Der Orthopäde und Handchirurg Dr. Frank Hesselmann aus Neuss konstatiert: «Die Radiotherapie gilt als obsolet.» Nicht zuletzt deswegen, weil sich später die Chirurgen mit den Nebenwirkungen und Spätfolgen der Bestrahlung auseinandersetzen müssen.
Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie veröffentlichte 2012 einen vorläufigen Bericht zur Stosswellentherapie mit 38 Patienten in einem sehr frühen Stadium: «Bereits die Zwischenauswertung der randomisiert-kontrollierten Studie belegt eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Schmerzreduktion durch die dreimalige Anwendung der fokussierten hochenergetischen Stosswellentherapie im nodulären (knötchenförmigen) Stadium des M. Dupuytren.» Eine Veröffentlichung weiterer Ergebnisse gab es anscheinend nicht. Nach wie vor fehlt eine aussagekräftige Studie mit höheren Fallzahlen sowie Informationen über Nebenwirkungen und die Nachhaltigkeit der Behandlung.
Die Enzym- oder Kollagenase-Therapie, die in der Schweiz und der EU 2011 zugelassen wurde, kann aktuell nicht mehr praktiziert werden, da der Vertrieb des Medikaments für die Injektion 2020 in ganz Europa eingestellt wurde.
Die Perkutane Nadelfasziotomie (PNF) ist eine ambulante, minimal-invasive Alternative zur Operation. Gelegentlich wird sie auch als Fibrosenperforation bezeichnet. Am besten ist die PNF in den Stadien I und II geeignet. Bei dieser Methode wird der harte Strang unter örtlicher Betäubung mit Nadelstichen durch die Haut so «zerstochert», dass er zerrissen und gestreckt werden kann. Der Arzt kann auch grössere Nadeln verwenden, deren schräg geschliffene Spitze wie eine kleine Klinge fungiert, welche den Kontrakturstrang an mehreren Stellen durchtrennt.
In beiden Verfahren kann die Handchirurgin in dergleichen Sitzung den Finger manuell strecken. Diese Therapie hat den Nachteil, dass der Arzt «ohne Sicht» unter der Haut arbeitet und möglicherweise Nervenschädigungen verursachen könnte. Der Vorteil liegt darin, dass die Hand recht schnell heilt.
Ein Wiederauftreten der Beschwerden kann weniger gut verhindert werden als durch eine Operation, da das krankhaft veränderte Gewebe in der Hand verbleibt. Allerdings kann die PNF im Falle eines Rezidivs wiederholt werden.
Um eine Rückkehr der Kontraktion hinauszuzögern bzw. zu vermeiden, sollte der behandelte Finger nachts mehrere Monate lang geschient werden. Welche Nachtschiene geeignet ist und wie lang sie getragen werden sollte, bespricht der Arzt mit dem Patienten.
Für die fortgeschrittenen, komplizierten Formen mit Strangbildung und starker Fingerkrümmung ist die chirurgische Behandlung am erfolgreichsten. Eine Operation hat das Ziel, das krankhaft veränderte Gewebe zu entfernen. Sie ist schwierig, weil in der Hand wichtige Nerven, Muskeln und Sehnen sehr nahe beieinander liegen. Infolgedessen ist die Gefahr, Nerven und Blutgefässe zu verletzen, nie von der Hand zu weisen.
Aktuell stellt die partielle Aponeurektomie (auch partielle Fasziektomie) die am häufigsten angewandte Technik dar. Es handelt sich um eine lokale, auf die befallenen Bereiche begrenzte Entfernung des erkrankten Bindegewebes. Dabei werden all die Knoten und Stränge in der Hohlhand und im Bereich des/der Finger(s) entfernt, die zu einer Einschränkung der Streckfähigkeit führen. Der operative Eingriff wird unter Voll- oder Teilnarkose (Arm) ambulant durchgeführt. Die Feinheit und Vielzahl der funktionell wichtigen Strukturen in der Hand erfordert eine speziell schonende Operationstechnik und die Verwendung von optischen Vergrösserungshilfen wie einer Lupenbrille.
Das Operationsrisiko ist deutlich erhöht, wenn bereits früher einmal am selben Finger operiert wurde; dann kann unter Umständen ein Klinikaufenthalt notwendig sein. Unverzichtbar in der Nachbehandlung sind intensive Bewegungsübungen über mehrere Wochen. Die entsprechende Expertise in dieser Behandlung haben Ergotherapeutinnen mit Erfahrung in Handtherapie.
Vorteile gegenüber dem minimal-invasiven Verfahren sind niedrigere Rezidivraten und bessere Chancen bei sehr starken Beugezuständen des Fingermittelgelenks.
Unter der radikalen oder totalen Aponeurektomie versteht man die komplette Entfernung des krankhaft veränderten Gewebes aus der Innenseite der Hand und der Finger. Diese OP bleibt besonderen Fällen vorbehalten und wird recht selten praktiziert.