Kann man bei einer Laktose-Intoleranz mehr tun als Milchprodukte meiden und Laktase schlucken? Die Naturheilkunde hat ihre eigenen Therapiemöglichkeiten.?
Zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind von einer Laktose-Intoleranz bzw. Milchzucker-Unverträglichkeit betroffen. Das heisst, bei ihnen gelangt der Milchzucker (die Laktose) aus der Nahrung unverdaut in den Dickdarm, wo er zu gären beginnt und Bauchschmerzen, Blähungen, Krämpfe und Durchfall verursacht.
Autorin: Petra Gutmann
Die Laktose-Intoleranz ist mit einer mangelhaften Produktion von Laktase verknüpft, also jenes Enzyms, das den Milchzucker im Dünndarm in seine kleinsten Bausteine Glukose und Galaktose aufspaltet.
In seltenen Fällen besteht die Laktose-Intoleranz von Geburt an. Meistens jedoch lässt die Laktase-Produktion erst mit fortschreitendem Alter nach oder ist die Folge einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung.
Ob angeboren oder im Verlauf des Lebens entstanden, schulmedizinisch gilt die Laktose-Intoleranz als unheilbar. Um beschwerdefrei leben zu können, müssen sich die Betroffenen an folgende Verhaltensregeln halten:
Diese Regeln werden im Alltag häufig in abgemilderter Form befolgt. Das hat folgenden Grund: «Die meisten PatientInnen mit einer Laktose-Intoleranz vertragen niedrige Dosen Milchzucker», erklärt die am Berner Inselspital tätige Allergologin Dr. med. Christiane Pichler. «Meistens ist eine vollständig laktosefreie Ernährung gar nicht notwendig. Sogar Menschen mit einer starken Laktose-Intoleranz können in der Regel einen Deziliter Milch pro Tag verdauen.»
Laut Berichten in der Publikumspresse kann der tägliche Genuss von Jogurt die Laktose-Intoleranz abschwächen. Stimmt das? Tatsächlich ist Jogurt reich an Milchsäurebakterien, die im Darm Milchzucker abbauen. Trotzdem sind Jogurt und weitere Sauermilchprodukte nach aktuellem Wissensstand nur bedingt empfehlenswert.
Grund: «Die im Joghurt enthaltenen Bakterien-Keimzahlen sind in aller Regel zu niedrig, um anhaltende Effekte auf die Darmflora auszuüben. Dem Organismus müssen mindestens eine Milliarde Laktobazillen bzw. 109 kolonienbildende Einheiten pro Gramm zugeführt werden, um einen dauerhaften Nutzen zu erzielen», erklärt die deutsche Ärztin und Mikrobiologische Therapeutin Dr. Kerstin Rusch.
Mit anderen Worten: So hohe Mengen an Milchsäurebakterien enthalten nur probiotische Präparate aus Drogerie, Apotheke und Arztpraxis. Beispiel: Eine Einzeldosis des Präparats «SymbioLact Comp.» beinhaltet zweimal 109 KbE/g Laktobazillen und Bifidobakterien. Wichtig zu wissen ist zudem, dass bei der industriellen Jogurt-Herstellung grosse Mengen lebendiger Milchsäurebakterien durch die Hitzebehandlung verloren gehen.
Werden Milchsäurebakterien dagegen in ausreichend hoher Konzentration geschluckt, sind gute Therapieerfolge möglich, wie Kerstin Rusch erklärt. «Die Symptome der erworbenen Laktose-Intoleranz können gelindert oder vollständig beseitigt werden. Dafür müssen die Milchsäurebakterien-Präparate täglich eingenommen werden.»
Also doch nur Symptombeseitigung, keine echte Heilung? «Auch eine Heilung ist möglich, aber nur dann, wenn die Laktose-Intoleranz als Folge einer chronischen Entzündung der Darmschleimhaut auftritt. Wird diese erfolgreich behandelt, kann auch die Laktose-Intoleranz ausheilen», sagt Dr. Rusch.
Aus Sicht der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde TED spielt die Ernährung eine ausschlaggebende Rolle bei der Laktose-Therapie. Sie wird gemäss TED durch die heute übliche nährstoff- und ballaststoffarme Kost (mit)verursacht. Diese Fehlernährung unterfordere die Schleimhautzellen des Darms mit der Folge, dass die Darmschleimhaut verkümmere und die Laktase-Produktion nachlasse.
Naturheilkundliche und komplementärmedizinische Therapeutinnen und Therapeuten empfehlen deshalb oft, bei einer Laktose-Intoleranz zuerst den Darm zu sanieren und diesen danach wieder an Milchzucker zu gewöhnen: «Die erste Voraussetzung für eine Gewöhnung an Milchprodukte ist eine kerngesunde Basiskost ohne Süssigkeiten und Weissmehlprodukte», sagt beispielsweise der Ernährungsforscher Dr. Dennis Savaiano von der Universität Minnesota. Damit gemeint ist eine vollwertige Kost mit täglich reichlich Obst, Gemüse, Salat und Vollkornprodukten.
Mitunter hört man in naturheilkundlichen Kreisen, die Laktose-Intoleranz lasse sich mit homöopathisch aufbereiteten Milchsorten kurieren. Diese Ansicht wird jedoch von den meisten Schweizer Homöopathen abgelehnt, obschon potenzierte und dynamisierte Milch ein gebräuchliches homöopathisches Heilmittel darstellt, etwa als Lactacidum (potenzierte Milchsäure), Lac humanum (Menschenmilch), Lac caninum (Hundemilch) oder Lac delphinum (Delfinmilch).
Der springende Punkt: «Milch wird in homöopathischer Zubereitung für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder eingesetzt, von Verstopfung über Schlafbeschwerden bis hin zu psychischen Problemen», erklärt die Homöopathin Petra Schmid.
«Ein Allheilmittel gegen Laktose-Intoleranz gibt es nicht;der Weg zur Heilung ist absolut individuell. Es braucht eine ausführliche Diagnose und eine klassische Konstitutionstherapie – nur so kann der ganze Mensch in seiner körperlichen und psychischen Befindlichkeit erfasst und behandelt werden.»