Ein Fuchs kann zehntausend Bandwürmer in seinem Darm beherbergen, ohne grossen Schaden zu erleiden. Infiziert sich hingegen ein Mensch, kann das gravierende Folgen haben.
Autorin: Judith Dominguez, 06.15
Die sprichwörtlich schlauen Füchse gehören zur Familie der Hunde; der hübsche Rotfuchs ist ihr häufigster Vertreter. Füchse leben in unterschiedlichen Regionen der Welt. Da sie Allesfresser sind, können sie sich leicht in jedem Ökosystem behaupten. Am Meeresstrand verzehren sie hauptsächlich Fische, Vogeleier oder Jungvögel. In den Bergen lauern sie auf flinke Murmeltiere, und Heidelbeeren dienen ihnen als bekömmliche Nachspeise. Am bequemsten aber ist das Leben im Siedlungsraum des Menschen.
In der Nähe von menschlichen Behausungen leben viele Mäuse, die das beliebteste Beutetier der Füchse sind. Sogar bis mitten in die
Städte wagen sich die Tiere und durchwühlen Abfallsäcke nach Leckerbissen. Da finden sie Nahrung im Überfluss, und dank der Wegwerfgesellschaft vermehren sich die Füchse zahlreich.
Heidelbeeren: bekömmliche Nachspeise für Füchse.
In Fabeln haben Tiere charakteristische menschliche Eigenschaften. Die Eule ist klug, die Gans dumm, der Esel stur und der Fuchs listig. Noch listiger aber ist der winzige Fuchsbandwurm. Ihm gelingt es, das Immunsystem des schlauen Fuchses zu überlisten und sich in dessen Darm behaglich einzurichten. Er ist im Lebenszyklus des Fuchsbandwurms der Endwirt; Mäuse sind die häufigsten Zwischenwirte. Frisst der Fuchs eine infizierte Maus, gelangen die Bandwurmlarven in seinen Darm.
Dort in der warmen Umgebung, die wertvolle Nahrungsbestandteile im Überfluss enthält, entwickeln sich die Larven zum Wurm. Einmal ausgewachsen, produziert der Bandwurm Eier, die der Fuchs mit seinem Kot zu Tausenden ausscheidet. Den Fuchs kümmert das alles wenig, und er überlebt den Befall ohne grossen Schaden.
Der Fuchsbandwurm Echinococcus multilocularis ist nur knapp vier Millimeter lang und somit ein besonders kleines Exemplar unter seinesgleichen. Er hat wie alle seine Verwandten keinen Darm und ist deshalb auf den Verdauungsapparat eines Wirtes angewiesen. Einmal an Ort und Stelle, halten sich die Bandwürmer mit stark ausgebildeten Haken an der Darmwand fest, um nicht unversehens bei der Darmentleerung ins Freie gespült zu werden.
In der warmen, feuchten und nährstoffreichen Umgebung fühlt sich der Bandwurm ausgesprochen wohl und pflanzt sich munter fort. Die Wurmeier gelangen mit dem Kot in die Natur und warten dort geduldig darauf, von einem unachtsamen Zwischenwirt gefressen zu werden. Ein ausgeklügeltes System, dass niemandem ernsthaft Schaden zufügt.
Es ist gut von der Natur eingerichtet, dass der Wirt nicht unter dem Bandwurmbefall leidet. Würde der Endwirt nämlich daran sterben, beraubte sich der Parasit seiner eigenen Existenzgrundlage. Das funktioniert also alles bestens, bis aus Versehen ein anderes Lebewesen Bandwurmeier aufnimmt.
Wird der Mensch zum Zwischenwirt eines Fuchsbandwurmes, ist dies für ihn eine ernsthafte Bedrohung. Die Eier entwickeln sich nämlich klammheimlich zu Finnen, wie man das Larvenstadium von Bandwürmern nennt. Diese Larven dringen ins Gewebe der Leber oder anderer Organe ein und entwickeln sich am Zielort langsam weiter. Irgendwann ist die Leber durchsetzt mit Finnen, die bis zu 20 Zentimeter gross werden können. Tochterzysten tauchen auch in anderen Organen wie der Lunge auf. Gleich einem bösartigen Tumor zerstört das kleine Lebewesen die Organzellen.
Die Krankheit, die Alveolare Echinokokkose (AE) heisst, wird oft erst Jahre nach einer Ansteckung erkannt. Sie ist nur schwer behandelbar, besonders weil sich die Bandwürmer, ähnlich wie Metastasen bei Krebs, im menschlichen Körper ausbreiten. Eine lebenslange Zytostatika-Therapie ist oft die einzige Möglichkeit, den Winzling am Wachsen zu hindern.
Bis vor einigen Jahrzehnten kam die Diagnose AE fast einem Todesurteil gleich. Heute ist die Lebenserwartung der Infizierten nur um etwa drei Jahre verkürzt, 90 Prozent überleben mindestens zehn Jahre nach der Diagnose.
Nach dem zweiten Weltkrieg kam die Tollwut nach Europa – ein Virus, das im Mittelalter vor allem von Wölfen, später auch von Füchsen verbreitet wurde. Die Menschen versuchten, sowohl Wölfe als auch Füchse auszurotten, um sich vor den tödlichen Bissen zu schützen. Tatsächlich waren Wölfe bis vor kurzem aus unseren Regionen verschwunden, der listige Fuchs hingegen fand immer wieder Wege zu überleben. Inzwischen hat es der Mensch aufgegeben, übertragbare Krankheiten mittels Ausrottung des Endwirtes zu meistern – Tollwut ist in unseren Breitengraden durch die erfolgreiche orale Impfung der Füchse ausgerottet worden. Anders beim Fuchsbandwurm: Die Fuchspopulationen sind in den letzten Jahren stark gewachsen und mit ihnen die Anzahl Würmer.
Dennoch ist die Krankheit selten. In der Schweiz erkranken pro Jahr etwa zwanzig Personen; in den Nachbarländern sind die Ansteckungsraten vergleichbar gering. In Deutschland liegt die Rate sogar weit unter einer Infektion pro Million Menschen. Als Fehlzwischenwirte infizieren sich Menschen vermutlich erst, wenn sie die Eier über längere Zeit oder in grösserer Menge aufnehmen und zudem anfällig sind.
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Nicht nur der Mensch, auch Hunde, selten Katzen, können die bedrohlichen Winzlinge auflesen. Wie der Mensch infizieren sich die Haustiere, indem sie Nahrung aufnehmen, die mit dem Kot von Rotfüchsen verschmutzt ist und Bandwurmeier enthält.
Wie eine neuere Studie ergab, kann sich der Fuchsbandwurm in Katzen allerdings wohl kaum fortpflanzen. Die Verbreitung des Fuchsbandwurmes ist je nach Region sehr unterschiedlich, warum, ist weitgehend unbekannt. Auffällig ist, dass in bestimmten Gebieten, auch in der Schweiz und Deutschland, bis zu 40 Prozent der Füchse Bandwürmer haben. Mit der Anzahl ausgeschiedener Eier steigt das Risiko, sich anzustecken für den Menschen und seine Haustiere beträchtlich. Während bis ins Jahr 2000 die Anzahl der Neuerkrankungen rückläufig war, verdoppelte sie sich seither. Aus diesem Grund ist der Fuchsbandwurm (wieder) in die Schlagzeilen geraten.
Über die Art und Weise, wie Fuchsbandwurmeier in menschlichen Mägen landen, wissen auch Experten noch zu wenig. Einige halten den «besten Freund des Menschen» für den Hauptüberträger, andere verdächtigen nach wie vor Waldfrüchte oder Bärlauch. Obwohl man also noch Wissenslücken hat und nur wenige Menschen anfällig sind, ist es besser, kein Risiko einzugehen.
Sich vor dem tödlichen Winzling zu schützen, ist glücklicherweise recht einfach. Füchse scheiden ihren Kot wie Hunde immer bodennah aus. Dort lauert deshalb die Gefahr. Wilde Erdbeeren sind zwar köstlich, hängen aber meist nur wenig über dem Boden. Auch Heidelbeeren sind nur dann zu pflücken, wenn sie mindestens auf Kniehöhe wachsen. Füchse markieren ihr Revier wie Hunde gern in der Nähe von Baumstämmen, Steinhügeln oder anderen Erhebungen. Meiden wir diese Orte, sammeln wir Bärlauch lieber an einer anderen Stelle. Immer wenn wir mit Erde in Kontakt kommen, zum Beispiel bei der Gartenarbeit, müssen die Hände danach gründlich gewaschen werden.
Besonders gefährdet sind Haustierbesitzer. Hunde und Katzen streifen nun mal in Bodennähe herum, Hunde wälzen sich zudem gerne in Fuchskot. Die Tiere säubern ihr Fell mit der Zunge, so dass sich Bandwurmeier auch in den Tierhaaren verbergen können. Es empfiehlt sich also dringend, sich nach dem Streicheln eines Hundes die Hände zu waschen und Haustiere regelmässig zu entwurmen.
Die wilden Verwandten der Hunde sind schöne und interessante Tiere. Jeden Frühling wirft das Weibchen im Dunkeln des Erdbaus Junge, die von ihr und Vater Fuchs liebevoll gepflegt werden. Die Mutter bleibt die ersten Wochen im Bau bei den Kleinen, während der Vater jagt und Beute heimbringt. Füchse naschen auch gerne Früchte. Als exzellente Mäusejäger sind sie für uns sehr nützlich.