Die feine Schote ist begehrt und teuer. Was man über Herkunft, Produktionsbedingungen und Nachahmerprodukte wissen sollte.
Autorin: Glorija Schönsleben, 01/20
Das Gewürz wird aus der Frucht der echten Vanille (Vanilla planifolia) gewonnen, die zur Familie der Orchideen gehört. Das begehrte Aroma entsteht in der Frucht, die sich als eine Kapsel aus der Pflanzenblüte entwickelt und aus welcher sich später die Vanilleschote bildet.
Das weltweite Vanilleaufkommen ist knapp. Die Wetterverhältnisse entscheiden massgeblich über die Ernte. Anbau und Verarbeitung bis hin zur Entwicklung des begehrten Aromas sind sehr anspruchsvoll. Die Bestäubung entscheidet, ob die Pflanze Früchte ausbildet. Auf natürlichem Weg wird diese Arbeit von Kolibris und Bienen erledigt, die nur in Zentralamerika vorkommen, dem Ursprungsgebiet von Vanille.
Dabei wird die sogenannte Zwitterblüte mit einer Stechhilfe behutsam geöffnet, eine barriereartige Membran zwischen den männlichen Pollen und dem weiblichen Stempel umgangen und die Pollen auf den Stempel übertragen. Der Zeitpunkt ist heikel: Die Pflanze blüht nur während eines einzigen Tages im Jahr. Falls an diesem Tag keine Bestäubung stattfindet, fällt die Ernte fürs ganze Jahr aus. Die Bestäubung allein umfasst die Hälfte des Produktionsaufwands.
Frisch geerntete Früchte haben kaum Geschmack. Vanillin, der natürlich enthaltene Hauptaromastoff, ist im geruchlosen Vanillosid gebunden und wird erst durch Fermentation freigesetzt. Die geernteten Früchte werden zuerst sortiert. Spätestens zwei Tage nach der Ernte muss der Fermentierungsprozess beginnen. Dabei werden die Schoten entweder gedämpft, ins heisse Wasser gelegt oder blanchiert und danach getrocknet. Anschliessend werden die Früchte in eine Decke eingewickelt, was den Schoten Wasser entzieht («Schwitzen») und sie auf die uns geläufige Grösse schrumpfen lässt.
Erst durch diesen Prozess entwickeln sich die bekannte dunkle Farbe sowie das typische Aroma. Aus sechs Kilogramm grünen, bitter schmeckenden Früchten resultiert ungefähr ein Kilo verzehrbereite Vanilleschoten; für diesen Ertrag mussten zuvor 600 Blüten bestäubt werden.
Das genaue Herstellungsverfahren ist ein Geheimnis jedes Produzenten, jedoch lassen sich die einzelnen Sorten abhängig von ihrer Herkunft klassifizieren. Vanilleschoten von bester Qualität haben mit ca. zwei Prozent den höchsten Vanillin-Gehalt. «Raureif», d.h. weiss-silbrige, dünne Nadeln auf der Oberfläche der Schote, ist nicht etwa Schimmel, sondern deutet auf ein vanillinreiches und damit hochwertiges Produkt hin, denn es handelt sich um während der Lagerung entstandene Vanillinkristalle.
Mehrere Vanillesorten werden zu kulinarischen Zwecken verwendet:
Bourbon-Vanille ist mit ihrem intensiven Aroma eine beliebte Sorte der Europäer. Der Name stammt von der Anbauinsel La Réunion, die früher Île Bourbon hiess. Nur die Vanille, die auf den sogenannten Bourbon-Inseln Madagaskar, Komoren, La Réunion, Seychellen und Mauritius wächst, darf die Bezeichnung Bourbon-Vanille tragen. Es handelt sich hier um eine reine Handelsbezeichnung für ein bestimmtes Anbaugebiet von Vanilla planifolia.
Bei Gewürzvanille und mexikanischer Vanille handelt es sich ebenfalls um die Früchte der Vanilla planifolia, allerdings aus anderen Anbaugebieten. Im Vergleich zu Bourbon-Vanille ist ihr Geschmack zurückhaltender, aber für gewöhnlich würzig-süss.
Besonders in der gehobenen Gastronomie ist eine weitere Vanilleart, die Tahiti-Vanille, sehr beliebt. Sie ist die Frucht der Vanilla tahitensis, einer eigenen Art und Verwandten der Vanilla planifolia. Tahiti-Vanille ist im Vergleich zur Gewürzvanille sowohl im Duft als auch im Geschmack intensiver. Sie enthält weniger Vanillin, dafür zahlreiche andere aromatische Substanzen, die ihr eine blumige Note verleihen.
Vanille begann ihren Siegeszug um die Welt als Ingredienz eines Getränks: Bei den Azteken stand das Kakaogetränk «Xocolatl» gewürzt mit Vanille hoch im Kurs. Heute findet Vanille in klassischen süssen Gerichten wie z.B. Gebäck, Puddings, Kuchen und Kompott Verwendung. Vanille passt sehr gut zu anderen Gewürzen wie Zimt, Safran, Gewürznelken oder Chili. In der modernen Küche wird sie auf anregende Weise zum Würzen herzhafter Gerichte eingesetzt. Die sanfte Vanille harmoniert mit Spargel, Artischocken, hellem Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten wie z.B. Hummer und Jakobsmuscheln. Sogar altbekanntes Wurzelgemüse wie z.B. Pastinaken wird, gewürzt mit Vanille, zu einem neuen Geschmackserlebnis.
So teuer Vanille ist, so effizient lässt sie sich einsetzen. Der aromatischste Teil ist das Mark, welches in Form von kleinen schwarzen Samen in der Schote enthalten ist; es lässt sich mit einer Messerspitze einfach herausschaben. Die Schale der Schote ist, obwohl geschmacklich weniger stark, genauso zum Würzen geeignet. Entweder ganz oder in Stückchen verwendet, wird sie in Flüssigkeit mitgekocht. Sie verliert ihre Würzkraft nicht sofort, deshalb kann sie nach dem Waschen und Trocknen wiederverwendet werden.
Dem sinnlichen Gewürz wird bis heute eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, zudem eine positive Wirkung aufs Gemüt. Als Heilpflanze schreibt man ihr entspannende Wirkung bei Gallen- und Verdauungsschwäche zu. Der belebende und entspannende Vanilleduft, etwa in Form von ätherischem Öl, kommt bei Stress, Kraftlosigkeit, schlappem Befinden, Angstzuständen und Schlafstörungen zum Einsatz. Vanilleöl wird auch bei Hautproblemen wie z.B. Hautausschlägen und Schwellungen sowie Pilzinfektionen eingesetzt.
Über 90 Prozent der global verwendeten Vanillearomen sind künstlicher Natur. Der Unterschied zwischen natürlicher Vanille und künstlichem Aromastoff liegt in der Komplexität: Eine Vanilleschote enthält neben Vanillin noch rund 400 weitere Aromastoffe. Sie alle tragen gemeinsam zum bekannten Vanillegeschmack und Duftgenuss bei.
Die Alternativen zum natürlichen Vanillin werden chemisch oder biotechnologisch hergestellt, wobei die chemische Produktion zugleich die billigste ist. Oft wird der Duftstoff aus Guajacol (Pflanzenstoff, der in Guajakbäumen enthalten ist) gewonnen. Auch Lignin, das häufigste Nebenprodukt der industriellen Zellstoffherstellung, ist ein gängiger Ausgangsstoff.
Künstlich produziertes Vanillin hat eine identische chemische Struktur wie natürliches und darf daher als «naturidentisch» bezeichnet werden. Für das biotechnologische Verfahren werden eher unappetitliche Stoffe wie Bakterien, Pilze oder Hefekulturen verwendet. Das biotechnologische Verfahren ist 50 bis 100 Prozent teurer als die chemische Methode; das Produkt ist aber immer noch wesentlich billiger als natürliche Vanille (ca. die Hälfte des Preises von echter Vanille).