Frauen sind von Migräne deutlich häufiger betroffen als Männer. Doch einige haben Glück, dass die Schmerzen in den Wechseljahren wie von Zauberhand verschwinden. Leider gibt es aber auch Frauen, die jetzt zum ersten Mal unter Migräneanfällen leiden. Es liegt nahe, dass die Hormone dabei eine Rolle spielen.
Autorin: Annette Willaredt, 12/19
Der Kopf pocht und hämmert, dazu diese Lichtempfindlichkeit und manchmal auch Übelkeit oder Sehstörungen – eine Migräneattacke ist extrem belastend. Typisch für die Erkrankung sind die fast immer einseitigen Schmerzen. Die Betroffen sind meist nicht in der Lage, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Ein solcher Anfall kann zwischen vier und 72 Stunden andauern. Wie Migräne entsteht, ist bislang nicht restlos geklärt. Experten vermuten eine Fehlfunktion im Botenstoffhaushalt des Gehirns, genauer im Serotoninhaushalt. Dazu kommen Durchblutungsstörungen, die Gefässe im Gehirn verengen sich. Ausserdem geht man davon aus, dass übermässig aktive Nervenzellen im Kopf an den Blutgefässen der schmerzempfindlichen Hirnhäute eine Entzündung verursachen. Sicher ist, dass es eine genetische Komponente gibt. Die Erkrankung tritt in Familien gehäuft auf. Doch damit es wirklich zu einer Attacke kommt, sind bestimmte Auslöser nötig, die sogenannten Trigger. Typische Trigger sind Stress, Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, eine Reizüberflutung, ein Klima- oder Wetterwechsel sowie bestimmte Lebens- oder Genussmittel wie Rotwein, Nikotin, Zitrusfrüchte oder Schokolade. Und – für Frauen entscheidend – hormonelle Schwankungen.
Bis zur Pubertät sind Mädchen und Jungen ungefähr gleich stark von Migräne betroffen. Danach ändert sich das Verhältnis deutlich. Jetzt leiden Frauen dreimal häufiger an den Attacken als Männer. Verantwortlich dafür ist das Auf und Ab der Hormone im Laufe des Zyklus. Bei den Frauen kommt es vor allem rund um die Monatsblutung zu Migräne. Vermutet wird, dass der Abfall des Blutspiegels des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen der Grund ist. Die genauen Zusammenhänge müssen aber noch geklärt werden. Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass die weiblichen Geschlechtshormone die Verarbeitung von Schmerzreizen im Gehirn beeinflussen. Und ein dritter Punkt spielt eine Rolle: Die hormonellen Veränderungen vor der Menstruation wirken auch auf die Psyche, die Frauen sind oft reizbarer und empfindlicher. Dadurch reagieren sie auch stärker auf Stressreize. Und Stress ist wiederum ein häufiger Auslöser für eine Migräne.
Wenn also schon der ganz normale Zyklus bei Frauen Einfluss auf eine Migräne hat, liegt es nahe, dass die grossen hormonellen Schwankungen in den Wechseljahren auch nicht ohne Folgen bleiben. Zu Beginn der Wechseljahre kommt es immer wieder zu einem sehr hohen Östrogenspiegel. In dieser Phase wird die Blutung meist unregelmässig und oft auch schmerzhafter und stärker als gewohnt. Nach einiger Zeit beginnt dann der Blutwert des Östrogens stetig zu sinken. Die Blutung fällt immer häufiger aus, bis es dann zur letzten kommt – von den Medizinern Menopause genannt. Also auch hier zuerst schwankende und dann sinkende Östrogenwerte. Laut einer US-Studie treten bei Frauen, die schon länger an Migräne leiden, die Attacken deutlich häufiger auf, wenn sie sich der Menopause nähern. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Bei rund 60 Prozent der Migräne-Betroffenen werden die Schmerzattacken nach der Menopause immer seltener und bleiben dann irgendwann ganz aus. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass es genau die Frauen mit einer zyklusabhängigen Migräne sind, die nach den Wechseljahren endlich davon befreit sind. Eine Ausnahme bildet eine kleine Gruppe der Frauen, die Hormone gegen die Beschwerden in den Wechseljahren einnehmen. Bei ihnen kommt es durch diese Therapie zu einer Verstärkung und Häufung der Attacken. Hier müssen die Vor- und Nachteile der Hormonbehandlung gemeinsam mit der Ärztin gut abgewogen werden.
Die Diagnose Migräne wird fast immer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren gestellt. Dass die Erkrankung bei Frauen in den Wechseljahren erstmals auftritt, kommt selten vor. In diesen Fällen sollte eine genaue Untersuchung erfolgen. So muss z.B. abgeklärt werden, ob ein altersbedingter Verschleiss der Halswirbelsäule mit eine Rolle spielt. Auf der psychischen Seite kann Stress verantwortlich sein, weil die betroffene Frau Probleme mit dem neuen Lebensabschnitt oder ihren körperlichen Veränderungen hat. Auch eine häufige Einnahme von Schmerzmitteln, z. B. aufgrund von Rücken- oder Gelenkschmerzen, kann eine Migräne begünstigen. Es kommt zudem vor, dass Frauen, die gegen ihre Wechseljahresbeschwerden Hormone einnehmen, plötzlich erstmals Migräneattacken bekommen.
Um Migräne in den Griff zu bekommen, können betroffene Frauen zwei Strategien anwenden. Die eine ist: ein Migräne-Tagebuch führen. Es dient dazu, den persönlichen Triggerfaktoren auf die Spur zu kommen. Kennt man sie, kann man viele von ihnen meiden. Wenn sich z.B. herausstellt, dass bestimmte Wetterlagen Probleme bereiten,helfen die Aufzeichnungen, sich an diesen Tagen zu schonen und stressige Situationen weitgehend zu meiden. Und so geht es: Man notiert über einige Wochen täglich, was man isst und trinkt, ob man geraucht hat, ob der Tag anstrengend war, ob man sich geärgert hat, ob man Sport trieb oder ob sich das Wetter geändert hat. Dazu schreibt man stets auf, wann es zu einer Migräneattacke gekommen ist und wie lange und heftig sie war.
Nach einiger Zeit lassen sich so meist Rückschlüsse ziehen, was die Migräne fördert. So lässt sich auch herausfinden, welche Nahrungsmittel gut tun und welche einen negativen Einfluss auf die Kopfschmerzhäufigkeit haben. Weil ein plötzlicher Abfall des Blutzuckerspiegel für viele Migränekranke kritisch sein kann, ist es oft ratsam, auf Süssigkeiten und Weissmehlprodukte zu verzichten. Beide sorgen für einen schnellen Anstieg des Blutzuckers – und danach für einen schnellen Abfall. Besser sind Vollkornprodukte mit komplexen Kohlenhydraten, denn sie halten den Blutzucker über lange Zeit stabil.
Untersuchungen zeigen, dass auch eine gute Versorgung mit dem Mineralstoff Magnesium einen gewissen Schutz vor Migräneanfällen bieten kann, weil er krampflösend wirkt. Er findet sich z. B. in Nüssen und vielen Gemüsesorten.
Die Forschung hat zudem herausgefunden, dass regelmässiger Ausdauersport eine gute Vorbeugung ist. Körperlich überanstrengen sollte man sich aber dabei nicht, denn das fördert wiederum Attacken.
Die zweite Anti-Migräne-Strategie basiert auf pflanzlicher Hilfe (statt oder ergänzend zu Schmerzmitteln oder den migränespezifischen Medikamenten, den Triptanen). Extrakte aus der Pestwurz wirken vorbeugend. Regelmässig eingenommen, können sie die Zahl der chemischen Extrakte um rund die Hälfte reduzieren, das belegen Studien. Für Frauen in den Wechseljahren ist es zudem sinnvoll, etwas gegen die hormonellen Schwankungen zu unternehmen. Die Taubensilberkerze enthält Phytohormone, die den körpereigenen Östrogenen ähneln. Sie regulieren das hormonelle Ungleichgewicht. Viele Frauen machen auch gute Erfahrungen mit Rotklee-Extrakten. Sie enthalten ebenfalls pflanzliche Hormone. Bei uns noch wenig bekannt ist der Wilde Yams. Die Wurzel enthält Diosgenin, ein Stoff, der dem menschliche Hormon Progesteron ähnelt. Dadurch kann auch sie den Hormonhaushalt ausgleichen. Die Früchte des Mönchspfeffers enthalten ätherische Öle, Glykoside und Triglyceride. Diese Extrakte greifen ebenfalls ausgleichend in den Hormonhaushalt ein. Üblicherweise werden sie vor allem Frauen empfohlen, die am Prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden. Doch Mönchspfeffer kann gerade zu Beginn der Wechseljahre auch positiv auf die Migränehäufigkeit wirken.