Die weltweite Beliebtheit von Kaffee reicht weit in die Geschichte zurück, und über seine Wirkung kursierten von Beginn an die wildesten Gerüchte. Lange vor seiner Entdeckung im Jahre 1819 galt Kaffee als Allheilmittel und obwohl der wissenschaftliche Fortschritt unserer Tage das Verständnis von Koffein revolutioniert hat, halten sich einige Legenden hartnäckig. Lesen Sie in unserem Koffein-Report, wie (un-)gesund der Stoff wirklich ist.
Nachtschwärmer oder Siebenschläfer? Die Reaktionen auf eine spät am Abend genossene Tasse Kaffee sind sehr unterschiedlich: Während der eine nach dem flüssigen Betthupferl eine schlaflose Nacht durchstehen muss, wiegt sich die andere schnell in himmlischen Träumen. Wer selten Kaffee trinkt, reagiert intensiver als ein «Gewohnheitstrinker». Obwohl sich bei beiden Gruppen die Schlafdauer nicht oder wenig unterscheidet, ist beim Nicht-Kaffeetrinker der Tiefschlafanteil, der Voraussetzung für einen wirklich erholsamen Schlaf ist, höher. Deshalb: ob Gewohnheitskaffeetrinker oder nicht, koffeinhaltiger Kaffee ist kein Schlummertrunk.
Eine andere Gruppe von Menschen profitiert hingegen eher von einer späten Dosis Koffein. Ältere Menschen, die unter Herzschwäche und infolge dessen unter Störungen der Hirndurchblutung leiden, und häufig auch Hypotoniker, also Menschen mit sehr niedrigem Blutdruck, können anschliessend besser einschlafen. Doch: weil die Wirkung des Koffein nur indirekt ist, kann man nur so weit aufgeputscht werden, wie es der natürliche Vorrat an Neurotransmittern erlaubt. Das ist auch der Grund, warum eine höhere Dosis Koffein (mehr als vier Tassen Kaffee) keine Steigerung der Stimulation mehr bringt. Koffein erreicht seine höchste Konzentration im Blut 20 bis 45 Minuten nach der Einnahme. Nach drei bis bis sechs Stunden sinkt der Koffeingehalt auf die Hälfte, nach weiteren drei bis sechs Stunden auf ein Viertel.
Kaffee gleich nach dem Aufwachen, die erste Tasse am besten noch im kuschelwarmen Bett? Keine gute Idee, sagen Forscher. Denn das stört das körpereigene Stresshormon Cortisol. Unser Körper schüttet beim Erwachen besonders viel davon aus. Cortisol ist ein natürlicher Wachmacher. Koffein wiederum führt dazu, dass sich der Cortisolspiegel erhöht. Solch ein «doppelter Aufputscher» mag verlockend erscheinen, ist jedoch kontraproduktiv. Zum einen wird der natürliche Fluss des Cortisols gestört, zum anderen ist auch die Wirkung des Koffeins geschwächt. Der morgendliche Cortisolspiegel sinkt übrigens nach etwa 45 Minuten wieder ab. Wissenschaftler der University of Maryland raten, die erste Tasse Kaffee lieber rund 1,5 Stunden nach dem Aufwachen zu trinken.
Diese Behauptung konnte mehrfach widerlegt werden. Kaffeetrinker scheiden nur minimal mehr Flüssigkeit aus (84%) als Wassertrinker (81%)
Während des Kaffeetrinkens steigt der Blutdruck leicht an, sinkt wenig später aber wieder. Selbst bei Personen, die durchschnittlich 575 mg Koffein am Tag zu sich nehmen (vier bis fünf Tassen Kaffee), bewirkt es nur eine kurzfristige Steigerung des Blutdrucks. Bei Menschen, die ganz selten Koffein zu sich nehmen, verschwindet der Blutdruckanstieg nach Koffeingenuss spätestens nach einem Tag.
Wie viele andere, kommt eine im "British Medical Journal" 1995 veröffentlichte schottische Studie zu dem Schluss: «Patienten, deren Blutdruckwerte gerade noch an der Grenze des Normalen liegen oder bereits leicht erhöht sind, müssen nicht mehr – wie früher oft empfohlen – auf Kaffee (Cola, Kakao, Schokolade) verzichten.» Dennoch wird bei hohem oder erhöhtem Blutdruck zu einem mässigen Kaffeekonsum geraten.
In Rotterdam und in Boston wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren 45 000 Männer begleitet, um festzustellen, ob Kaffeetrinken ein Risiko für das Herz in sich birgt. Zu Beginn der Studie hatte kein Teilnehmer diagnostizierbare Herz-/Kreislauferkrankungen. Nach Beendigung der Studie stand fest, dass in diesen zwei Jahren weniger Kaffeetrinker (Konsum: max. sechs Tassen Kaffee pro Tag) als Abstinenzler einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erlitten hatten. Dies haben Forscher aus Singapur und den USA nach der Auswertung von insgesamt 36 Studien bestätigt. Auch hier erlitten Menschen, die zwischen drei und fünf Tassen Kaffee am Tag tranken, seltener einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als jene, die entweder gar keinen Kaffee tranken oder deutlich mehr als fünf Tassen. Auch Herzoperationen mussten die Abstinenzler statistisch häufiger über sich ergehen lassen. Daraus kann gefolgert werden, dass der Kaffeegenuss bei gesunden Menschen kein zusätzliches Risiko für eine Erkrankung des Herz-/Kreislaufsystems mit sich bringt.
Bereits Herzkranke sollten sich aber immer mit ihrem Arzt besprechen. Koffein verändert beispielsweise den Tonus der Herzkranzmuskulatur im Ruhezustand, eine Erscheinung, durch die bei einem Herzpatienten die Gefahr einer Unterbrechung des Blutstroms zum Herzen steigen kann. Ausserdem ist die Koffeinempfindlichkeit von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Auch Gene, die für einen langsameren Stoffwechsel verantwortlich sind, spielen eine Rolle. Menschen mit diesem Gen scheiden Koffein langsamer aus.
Dass ein gemässigter Kaffeekomsum eine schützende Wirkung für das Herz hat, belegen diese Studien jedoch nicht. Es könnte auch sein, dass Menschen mit hohem Blutdruck eher dazu neigen, die Finger vom Kaffee zu lassen. Kaffee in Massen kann einen positiven, in zu grossen Mengen jedoch einen negativen Effekt haben.
Verunsicherung entstand nach Veröffentlichung skandinavischer Forschungsergebnisse in den 90er Jahren. Demzufolge hatte nur aufgebrühter und ungefilterter Kaffee diesen Effekt. Diese Zubereitungsmethode sei im Norden Europas offensichtlich verbreiteter als bei uns. Es wird vermutet, dass die Fette der Kaffeebohne selbst für die Wirkung verantwortlich sind. Bei der Kaffeefilterung bleiben sie nämlich grösstenteils im Filter hängen und können deshalb den Blutfettspiegel auch weniger beeinflussen.
Das Bundesgesundheitsamt stellte fest, dass eine Tasse Kaffee den Cholesterinspiegel um «durchschnittlich 1,2 Milligramm pro Deziliter Blut» anheben kann. Bei diesem sehr geringen Wert handelt es sich allerdings vor allem um die Cholesterinart (LDL), die sich besonders ungünstig auf das Arteriosklerose-Risiko auswirkt. Dennoch, die Datenlage ist bis heute so unsicher, dass eine Einschränkung des Koffeinkonsums nur bei einem weit über der Norm liegenden Cholesterinspiegel zu empfehlen ist.
Eine Untersuchung der Harvard School of Public Health in Boston legt die Vermutung nahe, dass ein Zusammenhang zwischen Kaffeegenuss und Darmgesundheit besteht. Es wurde ermittelt, dass mit vier oder mehr Tassen Kaffee am Tag das Darmkrebsrisiko um 24 Prozent sinkt. Die schützende Wirkung beruht möglicherweise darauf, dass Koffein den Stuhlgang beschleunigt und vorhandene krebserregende Stoffe weniger lange auf die Zellen der Darmschleimhaut einwirken können. Ein Beweis für eine krebsschützende Wirkung ist dies jedoch noch nicht
In der amerikanischen Fachzeitschrift «JAMA» wurden die Ergebnisse einer Langzeituntersuchung an 46000 Männern zwischen 40 und 75 Jahren veröffentlicht. Demnach haben Männer, die täglich zwei bis drei Tassen Kaffee trinken, ein um 40 Prozent vermindertes Risiko, Gallensteine zu entwickeln. Der schützende Effekt wird durch Koffein vermittelt – je mehr Koffein, desto seltener sind Gallensteine.