Das Schöllkraut, lat. Chelidonium majus L., gehört zu den Mohngewächsen (Papaveraceae), zu denen etwa 45 Gattungen und 700 Arten zählen, darunter mehrere für den Menschen giftige. Die auch Warzen-, Wulst-, Blut-, Teufelsmilch- und (von den Alchimisten) Goldkraut genannte Pflanze trifft man sehr häufig in der Nähe menschlicher Besiedlungen an. Man erntet das ganze oberirdische Kraut im Mai und Juni. Ein anspruchsloses, an sich unscheinbares Blümchen – wäre da nicht seine Heilkraft und Giftigkeit zugleich.
Was die Pflanze sowohl giftig als auch heilsam macht? Ein orangegelber Milchsaft, der aus den geknickten Stengeln austritt und sich in allen Teilen des Krauts befindet. Von keinem Geringeren als Aristoteles stammt die Geschichte seiner Entdeckung: Schwalbenmütter behandeln mit dem Milchsaft die verkrusteten Augen ihrer Jungen, wodurch diese von ihrer Blindheit befreit werden.
Chelidonium majus L. E gr. chelidon: Schwalbe; lat. majus: gross. Die Alchimisten nannten die Pflanze Coelidonum: Himmelsgabe. lat. Caelum (coelum): Himmel; lat. donum: Gabe, Geschenk.
Schon Plinius und Dioskurides empfahlen, Schöllkrautwurzeln mit Anis und Wein gegen Gelbsucht zu trinken. Paracelsus, Hahnemann, Hufeland, Rademacher – fast alle grossen Kräuterdoktoren der Vergangenheit waren voll des Lobes über Chelidonium majus bei Gallen- und Leberleiden, aber auch bei Hauterkrankungen und Augenbeschwerden.
Cholerischen Menschen, denen bekanntlich schon mal «die Galle überläuft» und die «Gift und Galle versprühen» können, hat man früher ein Amulett aus Schöllkraut verordnet, damit sie ihr seelisch-körperliches Gleichgewicht wiederfänden. Heute weiss man, dass alkaloidhaltige Wirkstoffe einen krampflösenden und mild beruhigenden Effekt besitzen.
Mit dem Schöllkraut bewegen wir uns auf historischem Boden, denn was der Pflanze heute an Missachtung widerfährt, genoss sie von Hippokrates bis Kneipp an Ruhm und Ansehen. Der Schatz an überlieferten Rezepten könnte Bände füllen. Nicht zuletzt, weil sie ein Paradebeispiel der von Paracelsus vertretenen Signaturenlehre darstellte. Diese längst überholte Lehre schloss von den äusseren Merkmalen einer Pflanze und ihrem «inneren Wesen» auf die medizinische Verwendung. Die gelbe Farbe von Blüten und Milchsaft des Schöllkrauts wurden mit der gelblichen Gallenflüssigkeit und mit Gelbsucht in Verbindung gebracht, womit den Ärzten des Mittelalters tatsächlich ein Zufallstreffer gelang. Wie dem auch sei, möglicher Nutzen und möglicher Schaden liegen nah beieinander. Deshalb ist es ratsam, keine Experimente bei der innerlichen Anwendung des Krauts zu wagen, sondern sich streng an Dosierungsempfehlungen bei Tees und Tinkturen zu halten. Die gelbe Farbe jedenfalls könnte man bedenkenlos nutzen, um Wolle, Stoffe, Leder, die Haare oder Wände einzufärben.
Die aus Schöllkraut hergestellte Chelidonium majus-Urtinktur ist ein traditionelles, äusserlich anzuwendendes Naturheilmittel zum Verätzen von Warzen. Man trägt mehrmals täglich ein paar Tropfen mit einem Wattebausch oder -stäbchen auf die Warze(n) auf.
Die innerlich anzuwendenden homöopathischen Chelidonium-Tropfen D6 sind ein Leber-Galle-Mittel. Sie üben eine Anregung auf den Gallenfluss aus und wirken schwach krampflösend auf die Gallenwege.
Das Schöllkraut ist eine mit der «Opiumpflanze» Schlafmohn verwandte, stark wirkende, giftige Pflanze. Die Dosis entscheidet über ihre Heilkraft. Bei einer Überdosierung können Schmerzen im Magen-Darm-Bereich, blutige Durchfälle mit schmerzhaften Koliken u.a. auftreten.
1 TL getrocknetes Schöllkraut mit 1 Tasse kochendem Wasser übergiessen und 5–10 Min. ziehen lassen. Abseihen und möglichst warm 2–3 Mal täglich zwischen den Mahlzeiten trinken. Dieser Tee hilft bei krampfartigen Beschwerden der Gallenwege und Verdauungsorgane, Gallenentzündungen und -koliken. Man kann Schöllkraut gut mit anderen Leber-Galle-Kräutern, z.B. Pfefferminze, Löwenzahn und Schafgarbe, kombinieren, weshalb Schöllkraut in einer Reihe von Teemischungen und Kombinationspräparaten enthalten ist. Bei einer Lagerung des getrockneten Krauts über 6 Monate hinaus lässt seine Wirkung stark nach.
Die Ansicht, dass der frische, zellteilende Milchsaft des Schöllkrauts Warzen, Hühneraugen und Hautwucherungen zum Verschwinden bringe, ist zwar nicht unumstritten, ganze Generationen von Kräuterkundigen schwören jedoch darauf.
Wen hartnäckige Warzen plagen, der sollte den frischen Saft, der aus dem gepflückten Stängel tritt, auf die betroffenen Hautstellen träufeln. Morgens und abends bis zu 2 Wochen lang wiederholen. Auch mit der Tinktur lohnt sich ein Versuch. Nicht verzagen, wenn die Prozedur nicht hilft! Die Natur hat noch weitere Trümpfe in der Hand, von Thujasaft bis Bananenschalen.