«Die Gute Vertriebspraxis»
Heilmittelhersteller wissen, wie man Arzneimittel produziert. Bei A.Vogel ist das Wissen um die Verarbeitung und Wirkung von Frischpflanzen der «Schatz» des Unternehmens. Einleuchtend, dass man nicht zugleich Experte in Fragen der Logistik sein kann. Muss man aber quasi heutzutage. Erst recht, seit im Rahmen der bilateralen Verträge die in der EU geltenden Richtlinien zur Good Distribution Practice («Die Gute Vertriebspraxis») seit 2015 auch in der Schweiz übernommen wurden. Bei A.Vogel überliess man da nichts dem Zufall, sondern startete ein spezielles Projekt.
Das war eine Herausforderung ganz nach dem Geschmack von Bukurim Selmani, der das Ganze leitete und «privat aus dem Bereich Transportbranche» kommt. Allerhand Organigramme im wandfüllenden Format waren nötig, bis die Strukturen so aufgegleist waren, dass nun alles reibungslos läuft. Die Erfahrungen, die der Verantwortliche Good Distribution Practice und die Kollegen der Abteilung Materialwirtschaft dabei sammelten, zahlen sich heute aus.
«Als wir das Projekt starteten, war die GDP und die mit ihr einhergehende Überwachung der Abläufe auch für die Transportunternehmen etwas Neues. Es schien schwierig umzusetzen für die Logistiker. Als beschlossen wir, dass wir uns selbst darum kümmern», berichtet Selmani. «Wir wollten nicht nur den Prozess erstellen, sondern auch das Konzept. Wir sind stolz darauf, dass wir so ein auf unsere Produkte massgeschneidertes Transportkonzept entwickelt haben. Denn wir kennen unsere Produkte ja am besten und wissen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie am Ende des Transportes vom Kunden einwandfrei konsumiert werden können.»
Geht mit jeder Fracht ab Lager Roggwil TG mit: ein Datalogger, der Temperaturdaten aufzeichnet.
Fortan gab man jeder Lieferung einen Temperatur-Datenlogger mit. Das ist ein kleines Einweg-Gerät, das ab Lager in Roggwil an die fertig konfektionierte Ware montiert und vom Kunden dann ausgelesen wird. Die ausgelesen Daten meldet dieser an A.Vogel zurück. «Ich habe mittlerweile im Rahmen des Projektes so viele Daten für jedes Land, für jeden Kunden, zu allen Jahreszeiten ausgelesen, dass ich auf dieser Erfahrungsbasis mühelos zurückverfolgen kann: Wo war der Lastwagen respektive der Container? In der Schweiz ist das nicht so kompliziert, doch man denke mal an eine Seefracht, die nach Kanada geht...», sagt Selmani. «Man muss sich vorstellen, da kommt ein Lastwagen mit einem Container, der dann zu einem Hafen fährt, entweder in Belgien oder Holland. Dort steht der Container erst mal einige Tage, ehe er aufs Schiff geladen wird. Das Verschiffen wiederum dauert mindestens ein bis zwei Wochen. Nach dem Abladen im Zielland steht der Container wieder eine Weile, ehe der Transporteur eintrifft und die Ware schliesslich dem Endkunden zugestellt wird. Da kann man eine Menge verschiedener Daten ablesen: Bei der Verschiffung eher konstante Temperaturwerte; am Hafen, wo die Container im Freien stehen, z.B. bei Hitze, dann natürlich Schwankungen», schildert Selmani.
Die während der Projektphase akribisch gesammelten Daten «ergaben am Ende eine Art Weltkarte, auf der man sehen kann, welche Bedingungen in den verschiedene Regionen herrschen und welche Transportvorgaben gewährleistet sein müssen, damit das Produkt zu der betreffenden Jahreszeit verschickt werden darf», so der GDP-Verantwortliche. Da war auch die Abteilung Forschung und Entwicklung von A.Vogel involviert «und natürlich muss rechtlich alles abgesichert sein».
So kristallisierte sich eine Produkt-Qualifizierungsliste mit zwei Klassen heraus:
- Empfindliche Produkte, z.B. auf Molkebasis, bei denen mehr als 30 Grad zu vermeiden sind. Arzneimittel gehören prinzipiell zu dieser Gruppe, «da gehen wir auf Nummer sicher» (auch wenn Studien zeigten, dass solch hohe Temperaturen etwa für Echinacea-Tabletten kein Problem darstellen).
- Unempfindliche Produkte, z.B. Basenpulver.
Als Good Distribution Practice-Verantwortlicher auch gegenüber den Behörden ist Bukurim Selmani folglich «die Schnittstelle zwischen der Herstellerin A.Vogel AG, den Logistikunternehmen und den Kunden» (in der Regel Grossisten). «Kurz gesagt: Ich muss gewährleisten, dass unsere Produkte zu den von uns definierten Bedingungen transportiert und gelagert werden, damit letztlich der Endkonsument ein qualitativ einwandfreies Produkt erhält.» Dazu zählt dann auch die immer wieder neu zu treffende Entscheidung (aufgrund des mittlerweile gesammelten Datenschatzes), welche Art von Container geordert wird. «Je nach Land und Jahreszeit wählen wir sogenannte Reefer-Container, die über ein integriertes Kühlaggregat verfügen, das über einen Generator betrieben wird. So stellen wir eine lückenlose Kühlkette sicher, indem die Temperatur im Containerinnern stets konstant gehalten wird. In den Fällen, wo nicht mit Temperaturschwankungen respektive übermässiger Hitze gerechnet werden muss, verwenden wir Dry-Container, die natürlich auch günstiger und nicht zuletzt auch umweltfreundlicher sind.»
War die Datenerhebung bzw. -auswertung mittels Temperatur-Logger anfangs für die Kunden noch mühsam, «so können sie jetzt nicht mehr darauf verzichten», freut sich Selmani, «das hat auch bei ihnen das Bewusstsein für die Good Distribution Practice geschärft. Wir sind positiv überrascht, dass alle Kunden so gut mitmachen und die von uns definierten Bedingungen einhalten. Klar, ein Kühltransport ist nun mal teurer als ein normaler und das muss man rechtfertigen können. Doch wir stellen hochwertige Ware her und möchten, dass der Kunde auch eine solche erhält.» Gleichwohl: Allein auf Regularien pocht A.Vogel dabei nicht: «Wir arbeiten in dieser Hinsicht mit gesundem Augenmass, risikobasiert aufgrund der bereits erhobenen Daten.»
Bei der Logistik-Organisation auf der Basis von GDP-Vorgaben geht es natürlich nicht nur darum, die Ware konform von A nach B zu bringen. Es müssen Verträge mit den Logistikdienstleistern geschlossen und Prozesse abgestimmt werden, es braucht Freigabeempfehlungen und Beratung in die Exportländer, es muss sichergestellt sein, dass die Lager im Exportland qualifiziert, temperaturreguliert und kontrolliert sind.
Angesichts einer Fülle behördlicher Bestimmungen in den unterschiedlichen Exportländern, von Slowenien über Kanada bis Südafrika, nimmt sich die Organisation der Transporte innerhalb der Schweiz geradezu kinderleicht aus. Hier sei man eher «überkonform», so Selmani augenzwinkernd und die Logistikpartner überdies hervorragend aufgestellt.
Mit Blick auf künftige Herausforderungen pflegt der der GDP-Verantwortliche einen engen Kontakt zu den Logistik-Dienstleistern. Das ist nicht zu unterschätzen, denn diese Branche wandelt sich rapide: «Es hat sich so drastisch viel geändert in der Transport-Supply-Chain, da wird ungeheuer optimiert», weiss Selmani. «Gerade international herrscht sehr viel Druck.» Immens wichtig ist ihm darum die jährliche Lagebesprechung mit den Logistikern, um Verbesserungsmöglichkeiten auszuloten und über Trends auf dem Laufenden zu bleiben. Fest steht: «Wir bei A.Vogel sind offen für innovative und vor allem nachhaltige Transportlösungen.»