Dank seines hydrotherapeutischen Effekts kann ein Fussbad bei diversen Beschwerden Linderung verschaffen.
Autorin: Gisela Dürselen, 10/21
Wasser kann Wärme und Kälte speichern und durch Temperaturreize auf den menschlichen Organismus einwirken. Auf diesem Effekt basiert die Hydrotherapie. Dass Kältereize gegen Entzündungen wirken, wussten wahrscheinlich schon die Steinzeitmenschen, und im antiken Rom gab es eine ausgeprägte Badekultur. Aber eine Therapie, die systematisch mit den Temperaturreizen des Wassers arbeitet, existiert erst seit den Kuren des Bad Wörishofener Pfarrers Sebastian Kneipp vor 200 Jahren.
Auch Alfred Vogel war überzeugt von der heilsamen Kraft des Wassers. Aufmerksam wurde er darauf bei seinen Reisen zum Amazonas und zu den Südseeinseln im Pazifischen Ozean. Im Standardwerk «Der kleine Doktor» beschrieb er den Umgang der Einheimischen mit dem Element Wasser und seine daraus resultierenden Empfehlungen, zu denen auch das Fussbad gehört.
Wie das Armbad ist das Fussbad ein Teilbad. Als solches wird es als «kleine Wassertherapie» bezeichnet, weil es sanftere Reize auslöst als zum Beispiel ein Vollbad. Das bedeutet jedoch nicht, dass Teilbäder nur lokal wirksam sind: Über Nervenbahnen und die Blutgefässe stehen die Füsse in Verbindung mit allen anderen Regionen des Körpers. Daher strahlen Reize auf die Füsse auch auf weitere Körperteile aus.
Je nach gewünschtem Effekt werden Fussbäder warm, kalt oder abwechselnd mit warmem und kaltem Wasser angewandt; zusätzlich gibt es die ansteigende und absteigende Variante, bei denen die Temperatur mit der Zeit wärmer beziehungsweise kälter wird.
Warme Fussbäder zwischen 36 und 40 °C wirken laut der Schweizerischen Rheumaliga gefässerweiternd und helfen bei kalten Füssen. Damit sind sie auch ein Mittel für guten Schlaf. Denn wie der Schweizer Schlafforscher Kurt Kräuchi schon in den 1990er-Jahren nachgewiesen hat, helfen warme Füsse insbesondere bei Einschlafstörungen. «Diese Erkenntnis gilt auch heute noch», sagt Dr. Thomas Rampp, der Leiter des Instituts für Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische und Indische Medizin der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Warme Fussbäder sind dort ein bewährter Teil der Therapie gegen Schlafstörungen.
Guter Schlaf sei essenziell fürs Immunsystem, so Dr. Rampp. Das zeige sich zum Beispiel daran, dass Krebspatienten mit Schlafstörungen kürzer überleben und eher zu Metastasen neigten als andere. Nach der inneren Uhr erwärme sich der Körper am frühen Morgen und kühle sich ab dem späten Nachmittag wieder ab. Dies fördere die Bildung des schlaffördernden Hormons Melatonin. Bei kalten Füssen hingegen seien die Gefässe eng, so dass der Körper zu wenig Wärme abgeben könne und somit auch weniger Melatonin produziere.
Das ansteigende Fussbad intensiviert die wärmende Wirkung auf den Körper. Bei einer Anfangstemperatur von etwa 33 °C erhöht sich dabei die Temperatur durch Zugiessen von heissem Wasser innerhalb von 15 bis 20 Minuten bis auf etwa 40 °C. Wem das sukzessive Zugiessen von Wasser zu umständlich ist, kann auf das «Fussbad nach Schiele» zurückgreifen, bei dem eine Wanne mit beheizbarer Bodenplatte genutzt wird, die das Wasser automatisch erwärmt.
In der Volksmedizin sind warme und ansteigende Fussbäder auch ein bewährtes Mittel bei beginnender Erkältung respektive zu deren Vorbeugung. Dr. Rampp empfiehlt das ansteigende Fussbad bei den ersten Anzeichen eines grippalen Infekts zweimal täglich, am besten morgens und abends. Da die Füsse via Nerven- und Gefässverbindungen mit der Nasen-Rachen-Schleimhaut verbunden seien, werde durch das warme Fussbad auch diese gut durchblutet. Und je besser die Durchblutung, desto effektiver könne das örtliche Immunsystem auf Krankheitserreger reagieren. Auch bei akuten und chronischen Harnwegsinfekten, chronischen Nasennebenhöhlen- und Stirnhöhlenentzündungen und chronisch kalten Füssen gebe es gute Erfahrungen mit einem warmen oder ansteigenden Fussbad.
Vorsicht sei allerdings geboten bei Venenproblemen: In diesem Fall dürfe das warme Wasser nur bis zum Knöchel reichen.
In seinem 2019 erschienenen Buch «Wie Wasser heilt. Meine besten Tipps aus Forschung und ärztlicher Praxis» gibt Dr. Rampp weitere Empfehlungen zum ansteigenden Fussbad: «Gönnen Sie sich nach dem Bad für 15 bis 30 Minuten Ruhe, oder legen Sie sich gleich schlafen. Es können je nach Beschwerdebild zusätzlich verschiedene Badezusätze verwendet werden. Die wichtigsten sind Melisse oder Lavendel zur Beruhigung und bei Schlafstörungen sowie Thymian, Eukalyptus oder Fichte bei Erkältungen.»
An der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte hat sich als Zusatz ins warme Wasser schwarzes Senfmehl für Patienten mit gefäss- oder erkältungsbedingten Kopfschmerzen bewährt. Die ätherischen Öle des Senfmehls wirkten nicht nur antibakteriell, sondern auch stark durchblutungsfördernd, so Dr. Rampp. Für Kinder jedoch sei der Reiz des Senfmehls zu stark. Im Erkältungsfall eigne sich hier Lavendelöl, das positiv auf Bronchien und Nebenhöhlen einwirkt.
An Dr. Rampps Wirkungsstätte arbeiten die Therapeuten sowohl mit schulmedizinischen als auch mit komplementärmedizinischen Methoden – und so legt man dort Wert darauf, den Patienten für die Zeit nach ihrer Entlassung Strategien an die Hand zu geben, mit denen sie sich später selbst helfen können. Das warme oder ansteigende Armbad zum Beispiel (Hauffe-Schweninger-Armbad, eine spezielle Form von Armbad, bei dem man die Wassertemperatur innerhalb von 15 bis 20 Minuten von 32 °C auf 39 °C steigert) empfehlen die Ärzte Hochdruckpatienten in einer akuten Situation, weil mit den sich erweiternden Gefässen auch der Blutdruck sinkt.
Diese Empfehlung sei jedoch nur für Menschen, die ihr Bluthochdruckproblem bereits abgeklärt haben. Generell gelte: «Wenn eine Diagnose gestellt ist, dann ist meist auch Selbsthilfe möglich.» Bei unklaren Beschwerden, z.B. am Herzen, solle auf jeden Fall zunächst ein Therapeut zu Rate gezogen werden.
Chronische Probleme mit Venen sowie chronischer Bluthochdruck sprechen oft gut auf regelmässige Kaltanwendungen an. Doch auch dabei gibt es Kontraindikationen: So sollte bei Blasenentzündungen und bei der Weissfingerkrankheit (Durchblutungsstörung der Hände), die hochempfindlich gegenüber Kälte macht, darauf verzichtet werden.
Kalte Fussbäder zwischen 12 °C und 18 °C verengen laut Schweizer Rheumaliga die Blutgefässe, kühlen an heissen Tagen den Körper und lindern Entzündungen. Sie stärken nachweislich die Venen und sind, wie das Wassertreten, ein bewährtes Mittel gegen Krampfadern. Im Gegensatz zum warmen Fussbad empfiehlt die Rheumaliga bei kalten Fussbädern nur eine maximale Dauer von einer Minute. Die Grundregel von Dr. Rampp lautet: «Nie kalt auf kalt.» Kalte Fussbäder sollten nur gemacht werden, wenn die Füsse vorher warm sind – und auch nach der Anwendung sollten sie möglichst schnell wieder warm werden. Nicht umsonst gebe es die alte Weisheit: «Den Kopf halt kühl, die Füsse warm, das macht den besten Doktor arm.»
Wie das ansteigende Fussbad den wärmenden Effekt steigert, kann auch die absteigende Variante die kühlende Wirkung verstärken. Es schützt im Sommer vor Überhitzung und hilft ähnlich wie ein kalter Wadenwickel bei Fieber.
Apfelessig als Zugabe fördert die Wärmeabgabe des Körpers, und da Essig zugleich antibakteriell wirkt, hilft ein solches Fussbad laut Dr. Rampp auch gegen die üblen Gerüche bei Fussschweiss. Lavendelöl ins kalte Wasser empfiehlt Dr. Rampp bei müden Beinen nach vielem Laufen, Rosmarin am Morgen rege an und steigere die Durchblutung, und wer bei Hitze die Füsse nach dem Bad nicht abtrockne, verlängere die Wirkung durch die Verdunstungskühlung auf der Haut.
Kneipp-Socken: Nasse Socken sind ein altes Hausmittel und haben ableitende und schlaffördernde Wirkung. Man taucht Leinensocken in kaltes Wasser, wringt sie aus, zieht sie an und streicht sie glatt. Wollstrümpfe darüberziehen und gut zudecken.
Für ein wechselwarmes Fussbad empfiehlt Dr. Rampp in seinem Buch über die Heilkraft des Wassers zwei Gefässe: eines mit 36 °C bis 38 °C warmem Wasser, das andere – je nach anfänglicher Verträglichkeit – mit kühlem oder kaltem Wasser (12 °C bis 22 °C) jeweils gut knöchelhoch zu füllen. «Begonnen wird 5 bis 15 Minuten lang im warmen Wasser, anschliessend die Füsse 10 bis 15 Sekunden lang ins kalte Wasser und das Ganze einmal wiederholen.» Anschliessend rät Dr. Rampp, das Wasser nur abzustreifen, zur Wiedererwärmung Socken anzuziehen und sich zu bewegen oder ins warme Bett schlafen zu legen.
Die Anwendung solle über etwa drei Wochen täglich durchgeführt werden, um die Regelkreise für Schlaf- und Temperaturverhalten sowie für das Immunsystem zu harmonisieren und damit Infekten vorzubeugen. Ferner wirke das wechselwarme Fussbad kreislaufstabilisierend und werde auch bei chronisch kalten Füssen, niedrigem Blutdruck, Kopfschmerzen und Schlafstörungen eingesetzt.