Nach der Eröffnung des neuen A.Vogel Besucherzentrums in Teufen vor zwei Jahren startet der Umbau des Hätschen ab 3. Oktober 2022 in die nächste Phase. Jetzt sind die drei alten Häuser oberhalb des schmucken Neubaus an der Reihe. An ihre Stelle werden bis Frühling 2024 zwei neue Gebäude treten, die den unvergleichlichen «Spirit» des A.Vogel Areals in neuer Frische wieder aufleben lassen.
Autor: Clemens Umbricht
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Kaum eine Besucherin, kaum ein Besucher kann sich dem Charme entziehen, den die Wirkungsstätte von Alfred Vogel in Teufen versprüht. Die drei ursprünglichen Häuser des A.Vogel-Gründers – das Kur- und Kinderheim, das Gebäude des heutigen Museums und das Verlagshaus – bilden zusammen mit dem Heilpflanzen-Schaugarten, dem Besucherzentrum und dem Alpstein-Panorama ein einzigartiges Ambiente. So bezaubernd sich der Garten mit seiner Pflanzenpracht zeigt – die Häuser oberhalb des Gartens sind inzwischen in die Jahre gekommen. Ihre Bausubstanz ist so marode geworden, dass eine Sanierung nur unter unverhältnismässig hohen Kosten möglich wäre. Die drei Gebäude werden deshalb ab Oktober zurückgebaut und durch zwei neue Häuser ersetzt. Das Erbe des Naturheilkunde-Pioniers Alfred Vogel (1902 – 1996) wird auf diese Weise erhalten bleiben. Denn in Teufen hat Anfang der dreissiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts alles begonnen.
Der damals 31-jährige Alfred Vogel übersiedelte 1933 mit seiner ersten Frau Sophie (geb. Sommer, 1901 – 1982) von Basel ins Appenzellerland. Zunächst wohnte das Ehepaar mit den beiden Töchtern Ruth (1928 – 1993) und Maya (1929 – 2009) in Speicher. Kurze Zeit später zog die Familie nach Trogen und 1937 schliesslich nach Teufen. Im September dieses Jahres erwarben sie das Grundstück Hätschen. Hier richtete Alfred Vogel ein Kur- und Kinderheim ein und begann seine Tätigkeit als Naturarzt.
«Das Kurhaus», schreibt Alfred Vogel in internen Notizen in seinem Nachlass, «wurde nach modernen, gesunden Grundlagen gebaut, mit Bodenheizung, mit Freilufthohlräumen in den Wänden, ein reiner Holzbau an sonniger Höhe, ca. 900 m über Meer mit Aussicht auf das Alpsteingebiet, vor allem auf den Säntis.» 1972 blickt Alfred Vogel in den «Gesundheits-Nachrichten» darauf zurück: «Als ich mich 1937 in Teufen niederliess, hatte ich in einer Höhe von mehr als 900 Metern meinen Garten anzulegen. Der Lehmboden war jedoch dermassen zäh und speckig, dass er eher für eine Ziegelbrennerei ... geeignet war. Ich zerbrach mir den Kopf über die ungünstigen Bodenverhältnisse, wollte ich doch nebst dem Gemüsebau noch eine ansehnliche Heilpflanzenkultur anlegen.»1
In einem damaligen Prospekt für das Kurhaus aus erläuterte Alfred Vogel, dass die Patienten in Teufen nach der «Naturheilmethode» behandelt würden – also mit «Diät ... physikalischer Therapie und den natürlichen Heilmitteln, sei es mit der Homöopathie, der Biochemie oder mit Lehm- und Wasserbehandlung». Alfred Vogels Kurheim im dreistöckigen Gebäude bot Platz für 15 Gäste. Diese sollten den panoramareichen Ausblick auf die Bergkette des Alpsteins nicht etwa mit reinem Müssiggang geniessen, sondern aktiv sein und Hand anlegen. Für Alfred Vogel waren die Mitarbeit im Garten, reichlich Bewegung und frische Luft stets ein Teil der «natürlichen Therapie».
Die Jahre des Zweiten Weltkriegs brachten Einschränkungen und Entbehrungen mit sich. Während rund um die Schweiz der Krieg tobte, arbeitete Alfred Vogel auf dem Hätschen an seinen Zukunftsplänen. Einer davon galt seiner Zeitschrift. Das seit 1929 unter dem Namen «Das neue Leben» erscheinende Blättchen war in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur unregelmässig erschienen. Lina Siegrist, damals Alleinangestellte bei Alfred Vogel, berichtet in ihren Erinnerungen, dass sie auf einer alten Schreibmaschine tippen musste: «Alfred Vogel sagte, es sei ihm leider nicht möglich, eine neue zu kaufen»2.
Ab Ende 1945 begann Alfred Vogel die Zeitschrift unter dem Namen «Gesundheits-Nachrichten» regelmässig in zwölf, zunächst dünnen und im Zeitungsformat gedruckten Ausgaben herauszugeben. Dabei konnte er auf die tatkräftige Mithilfe seiner Frau, der Volksschullehrerin Sophie, zählen; jede Ausgabe wurde von ihr redigiert und mit einem Gedicht versehen. Gleichzeitig vertrieb er seine naturheilkundlichen «Spezialitäten» an zunehmend mehr Drogerien und Reformhäuser. Die wirtschaftlichen Verhältnisse besserten sich. Bald schon konnte er sich ein Auto leisten, einen Tatra. Bei Sonne, Regen und Schnee holperte er die steile Strasse zum Hätschen hinauf und hinunter – 20 Prozent Steigung auf dem damals ungeteerten Feldweg ...
Der Erfolg des «Kurheims Vogel» und der Verkauf der Produkte gaben Alfred Vogel Auftrieb. Das ermöglichte es ihm, in den Jahren zwischen 1942 und 1947 ein neues Produktionsgebäude und, etwas nach unten versetzt, ein Wohnhaus mit je zwei bzw. drei Stockwerken zu errichten. Endlich konnte er in grösserem Umfang aus Heilkräutern Frischpflanzen-Presssäfte gewinnen. Seine «kleine Fabrik» – wie er sie einmal bezeichnete – enthielt eine grosse hydraulische Presse zur Pflanzensaftgewinnung, eine moderne Vakuumanlage, einen Autoklaven (Druckbehälter) sowie eine Passiermaschine mit Tablettiermaschinen und Dragée-Kesseln. Mit dazu gehörten auch eine Reihe sogenannter Perkolatoren, in denen durch Überdruck erhitztes Wasser die Wirkstoffe aus den frisch geernteten Pflanzen herauslösten. Auf dem Hätschen muss zeitenweise eine hektische Betriebsamkeit geherrscht haben: Patienten kamen und gingen, im Garten wurde gejätet und gepflanzt, Kräuter und Beeren wurden gesammelt, es kochte und dampfte, Pflanzensäfte gärten, Naturheilmittel wurden produziert und obendrein wurden Milchschafe gezüchtet und verkauft ...
Im neuen Wohnhaus – dort, wo sich bis zum 13. September 2022 der Verlag A.Vogel befand – bezogen die Vogels den 1. Stock. Im Parterre – in der damaligen Spedition des Verlages – wurde eine kleine Wohnung für Mitarbeitende in «Appenzeller-Grösse» eingerichtet, d.h. mit niedrigen Türrahmen (1,8 m) und einer Raumhöhe von zwei Metern.
Neben aller emsigen Betriebsamkeit trat Alfred Vogel in diesen Jahren auch erstmals im grösseren Stil als Publizist und Vortragsredner in Erscheinung. Doch bald einmal wurde es ihm zu viel. Im Mai 1946 schrieb er in seiner Zeitschrift: Die immer zahlreicher werdenden Anfragen und der Mangel an zuverlässigem Personal «veranlassen mich, meine Konsultationen auf 3 Tage in der Woche und zwar Mo, Di, Mi von 2 bis 6 Uhr zu beschränken»3. Telefonische Anfragen würden strikt nur noch während der «Bureauzeit» beantwortet. «Wir suchen», schrieb er mit Nachdruck, «Hilfskräfte wie Stecknadeln».
Alfred Vogels Teufener Unternehmen florierte, dies auch dank der Helferinnen und Helfer, denen Alfred Vogel das Tagesgeschäft zunehmend überliess. Bald schon trat er erste Forschungsreisen an, besuchte die USA und entdeckte für sich den Roten Sonnenhut (lat. Echinacea purpurea). Er hielt Vorträge in der Schweiz, in Deutschland, in Holland und weiteren Ländern. Und er schrieb, wann und wo immer er konnte. Manchmal sprach er seine Artikel im Flugzeug auf Tonbänder, die dann um die halbe Welt nach Teufen geschickt wurden, um abgetippt und in die Druckerei gebracht zu werden. 1952 erschien sein Opus magnum: «Der kleine Doktor. Hilfreiche Ratschläge für die Gesundheit». Das Buch wurde in kurzer Zeit zum Bestseller der Naturheilkunde (es wurde bis heute in zwölf Sprachen übersetzt und ist auf Deutsch in der 74. Auflage erhältlich).
Mit der Zeit reichten die Produktionskapazitäten in Teufen nicht mehr aus, um die steigende Nachfrage nach Vogels Produkten zu decken. Zu eng die Räumlichkeiten, zu einschränkend die Topografie im hügeligen Appenzellerland. Zwar führte Alfred Vogel Kurhaus und Produktion noch bis Anfang 1960 weiter, die Leitung übernahm jedoch zunächst, ab 1958, Willy Reimelt (bis 1982), der auch eine Naturheilpraxis einrichtete. Diese Praxis wurde bis zu Beginn der 2000er Jahre in wechselnder Besetzung weitergeführt und schliesslich geschlossen.
In den 1960er Jahren unternahm Alfred Vogel ausgedehnte Forschungsreisen und war immer seltener in Teufen anzutreffen. Er bereiste asiatische Länder, Afrika, den Nahen Osten sowie Kanada und Nord- und Südamerika. Im peruanischen Tarapoto betrieb er zeitweise sogar eine eigene Farm. Einen Meilenstein brachte das Jahr 1963: In Roggwil TG gründete Alfred Vogel die Bioforce AG, die Produktionsstätte der A.Vogel Produkte, aus der 2020 die heutige A.Vogel AG wurde.
Auch nach der Firmengründung im Thurgau setzte Alfred Vogel seine Forschungsreisen fort. Er schrieb, knüpfte Kontakte und untersuchte Heilpflanzen und Heilmethoden. Gleichzeitig war er auf der ganzen Welt als Referent ein gefragter Gast, in Australien genauso wie in den USA. Das von ihm eingesetzte Management führte in diesen Jahren die Geschäfte in Roggwil und Teufen nach seinen Vorstellungen und Vorgaben.
Einen tiefen Einschnitt bedeutete der Tod seiner Frau Sophie 1982. Als treue Begleiterin und Helferin setzte sie viele von Alfred Vogels Ideen im Alltag um. Ihr Anteil an Alfred Vogels Büchern und an den «Gesundheits-Nachrichten» kann kaum hoch genug eingestuft werden. Glücklicherweise fand Alfred Vogel in seiner zweiten Frau Denise (geb. Rüttimann, 1932 – 2014) eine verständnisvolle und ebenso unermüdliche Partnerin. Wenn sie nicht auf Reisen waren, lebten die Beiden in den kommenden Jahren in Teufen, Aesch BL oder Bever im Bündnerland. 1988 zogen sie nach Feusisberg in ein eigens gebautes Bio-Haus.
Für Teufen hatte der inzwischen 90-jährige, nach wie vor aktive Alfred Vogel einen weiteren Plan. Um die Fortführung seines publizistischen Wirkens sicherzustellen, gründet er 1992 den Verlag A.Vogel. Der Verlag bezog das ehemalige Wohnhaus der Familie Vogel, wo er bis heute sein Domizil hat. Im gleichen Jahr wurde das A.Vogel Museum eröffnet, das die Anfänge des Naturheilkunde-Pioniers dokumentiert. Nach und nach entwickelte sich auch der Heilpflanzen-Garten zum prachtvollen Schaugarten.
A.Vogel in Teufen ist ein Naturerlebnis, das weithin ausstrahlt. Rund 5'000 Besucherinnen und Besucher aus vielen Ländern verzeichnet der Hätschen im Jahr. Auch mit den beiden neuen Gebäuden, die bis Frühling 2024 errichtet werden, soll das so bleiben. Die neuen Häuser werden, wie das Besucherzentrum, als typische Appenzeller-Häuser – im Stil eines «Heidenhauses» – gebaut. Unter «Heidenhaus» wird im Appenzellerland ein Tätschdachhaus mit flachgeneigtem Dach und traufseitiger Hausfront verstanden. Bei einem «Heidenhaus» verläuft die Dachtraufe parallel zur Haupt- oder Stubenfront (im Gegensatz zu Häusern, bei denen die Giebelseite die Hauptfront darstellt). Die neuen Häuser sind den landschaftlichen Gegebenheiten oberhalb von Teufen angepasst und fügen sich ideal ins terrassierte Gelände ein.
Kurt Dörreich, Präsident der Alfred-Vogel-Stiftung und oberster Bauherr der Liegenschaften in Teufen, ist mit Blick in die Zukunft überzeugt: «Alfred Vogel hätte Freude an den neuen Häusern. Der Hätschen in Teufen wird auch ab 2024 ein Ort der Authentizität sein, an dem der 'Spirit' und das Charisma des Firmengründers Alfred Vogel weiterhin erlebbar sind.»
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